: „Stasi-Methoden“ der Bremer Polizei
■ Polizeipräsident: Datenschutz bei der Bremer Polizei „nicht voll durchstrukturiert“ / Kritik von SPD, CDU, FDP und Grünen an der Art, wie der Datenskandal „ausgebügelt“ werden sollte / Keine Stellungnahme vom Innensenator
Die Fernsehzuschauer werden regelrecht verwöhnt mit realen Tatort-Filmen. Am Donnerstag abend war Buten&Binnen dabei, als die Polizei „Hausfriedensbruch“ beging. Dies zumindest ist die Ansicht des SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Horst Isola, und Vertreter von CDU, FDP und Grünen teilten diese Rechtsauffassung gestern in einer lautstarken Sitzung der Innendeputation.
Es ging um einen Ringbuch
Ordner mit internen und vertraulichen Unterlagen, den ein ehemaliger MEK-Beamter in den Müll getan hatte. Kinder hatten ihn gefunden und nach Hause gebracht. Die Mutter informierte die Presse.
„Fundunterschlagung“ war das für den Polizeipräsidneten, denn einmal in den Müll sei die Akte nicht herrenlos, sondern gehöre der Müllabfuhr. Dennoch können Polizeibeamte nicht ohne
weiteres das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung außer Kraft setzen. Als Frau Meyer dem Beamten den Zutritt zu ihrer Wohnung verwehren wollte, erklärte der knapp und ohne Umschweife: „Dann muß ich Sie bitten, daß wir das auch gegen Ihren Willen tun werden.“ Und drängte die Frau Meyer zur Seite. Wie der Original-Film zeigt, gingen die Beamten sofort auf die unliebsamen Zeugen ihres Einsatzes zu
und hinderten das Fernsehen handgreiflich daran, weiter zu filmen.
Dem CDU-Rechtspolitiker Ralf Borttscheller standen, als er diese Szene sah, „alle Haare zu Berge“ (Borttscheller). Von „Fundunterschlagung“ bei Müll könne keine Rede sein, der Polizeipräsident habe einen „Sachverhalt konstruiert“. Und die Erklärung, wegen „Gefahr im Verzuge“ hätten die Beamten ohne Durchsuchungsbefehl in die Wohnung eindringen dürfen, sei „Quatsch“. Offenbar, so der CDU-Politiker, habe die Polizei hier ihren Fehler „ausbügeln“ wollen.
Durfte die Polizei die Presse hinauswerfen? „Störung einer Amtshandlung“ wäre die dazugehörige Begründung, und der Polizeipräsident erklärte gegenüber der taz, die Beamten hätten „auch im Interesse der Betroffenen“ in „sehr korrekter Weise gehandelt“.
Filmaufnahmen für sich genommen seien schon als Störung zu bewerten. Außerhalb geschlossener Räume, so Diekmann, seien Beamte im Einsatz „leider Gottes“ Personen des Zeitgeschehens und hätten kein Recht auf ein eigenes Bild. Auch Filmaufnahmen könnten da unterbunden werden, das sei aber meist nicht durchführbar - „da muß er sich in das Unvermeidliche schicken“. Im Innenausschuß schlugen die Wellen der Emotionen insbesondere da hoch, als der Polizeipräsident ankündigte, es werde Strafanzeigen gegen die geben, die den Daten-Skandal aufdeckten: gegen Frau Meyer unter anderem wegen „unbefugter Weitergabe von Akten“,
gegen Buten&Binnen womöglich wegen Beihilfe dazu.
Auch die Rechtfertigung des Verhaltens gegenüber der Fernsehkamera stieß in der Deputation nur auf Unverständnis. Der Grüne Deputierte Martin Thomas sieht sich an „Stasi -Methoden“ erinnert, und auch Borttscheller fallen Bilder aus Ostberlin ein, wie die „Stasi mit der Hand zur Kamera greift“. Er hält das polizeiliche Vorgehen zumindest für „ausgesprochen ungeschickt“.
Der Polizeipräsident war durch die Kritik so verärgert, daß er erklärte: „Ich bin nur froh, daß meine Pensionierung im nächsten Jahr bevorsteht.“
Bunten&Binnen will die Rechtsgrundlage der Behinderung per Dienstaufsichtsbeschwerde klären lassen, mehr rechtliche Mittel zur Verteidigung der Pressefreiheit scheint das Rechtssystem nicht herzugeben.
Die Dimension der Verletzung von Datenschutz-Bestimmungen wurde gestern erst klar, als der Weg der Akten in den Müll rekonsturiert werden sollte. Denn ein MEK-Beamter hatte sich diese Akten angefertigt und mit nach Hause genommen, als er sich auf einen Lehrgang vorbereiten wollte. Das sei üblich, mußte der Polizeipräsident in der vertraulich tagenden Deputation eingestehen, das „Verfahren zum Datenschutz ist bei der Polizei nicht voll durchstrukturiert.“
Der Innensenator wollte gestern keine Stellung nehmen. „Meyer ist gesteuert durch die Polizei“, meinte ein SPD -Politiker zum Verhalten des Innensenators.
K.W.
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