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High-Tech im Hinterkopf

Was tut sich in den arbeitsteilig organisierten Hälften des menschlichen Gehirns und wie kann man es ausbeuten, fragten sich Wissenschaftler auf dem internationalen Kongreß zur „cerebralen Dominanz“ in München  ■  Von Michael Wolf

Seit die britischen Nobelpreisträger John Eccles und Roger Perry in den 70er Jahren eine Arbeitsteilung zwischen den beiden Gehirnhälften entdeckten, stehen die Hirnströme unter besonderer Observation. Gefragt ist insbesondere, wie sich das Phänomen auf das menschliche Verhalten auswirkt und wie man es für therapeutische Zwecke, für bessere Lernmethoden und für die Auswahl besonders leistungsfähiger Manager nutzen kann.

Jetzt trafen sich Wissenschaftler aus aller Welt im Münchner „Holiday Inn“ zum Ersten Internationalen Kongreß über Cerebrale Dominanzen. Unter dem Schutz und Schirm von Franz Josef Strauß mühten sich Ärzte und Psychologen, das Problem der „Hemisphären-Dominanz“ zu beleuchten. Beklagt wurde immer wieder die alarmierende Linkslastigkeit des Denkens, der man mit großem wissenschaftlichen Aufwand zu Leibe rückt. Was schon den alten Griechen bekannt war, daß die linke Gehirnhälfte dem rationalen Denken gehört, die rechte Seite dagegen der Sitz von Intuition und Phantasie ist, wird endlich einmal gründlich behandelt, im Computer natürlich, mit sanfter Technik. Bei Linkshändern ist übrigens alles seitenverkehrt, bei ihnen sitzt die Rationalität rechts. Ärzte und Wissenschaftler sprechen von Überlastungen der linken Hälfte und drängen deshalb darauf, die kreativen Potentiale zu entdecken und für die Bedürfnisse des Managements zu nutzen.

Deshalb hatte man Ned Herrmann von General Motors eingeladen. Er ist Fachmann für die Erstellung von „Hirndominanz-Profilen“, die in den USA zunehmend eine Rolle bei der Auswahl von Führungskräften spielen. Herrmanns Prognosen haben eine hohe Treffsicherheit. Die begabten Jet -Piloten kann er schon erkennen, bevor sie zum ersten Mal ein Flugzeug von innen gesehen haben. Doch damit nicht genug, erst mit den Mitteln der Elektronik kann man den Menschen sogar bis in den tiefsten Schlaf verfolgen. Dann zeigt sich, daß es recht einfach ist, die elektrischen Impulse festzuhalten, die in den beiden Gehirnhälften entstehen. Man erhofft sich auf beiden Seiten des Atlantiks wichtige Hinweise auf die Verarbeitung der täglichen Umwelteinflüsse, die vielleicht zu veränderten Bewußtseinszuständen führen. In einem „soziopsychologischen Nebenprogramm“ ging es denn auch um die Erscheinungen von „Psychomutationen“. Hypnosespezialisten - und auch der evangelische Sektenpfarrer Maack - diskutierten die Geschehnisse in der rechten Hirnhälfte. Besonders bei den Sektenmitgliedern soll das „kreisförmige Denken“ stark ausgeprägt sein; für den Gründer der Telefonseelsorge, Dr.Thomas, eine durchaus beruhigende Entwicklung. Professor Tanelli von der Universität im türkischen Bursa sieht die Dinge etwas gelassener. Natürlich gebe es bei den Meditationstechniken Bewegungen, die im Hirnstrombild sichtbar werden. Man erkennt ganz genau, wenn ein neues Mantra beginnt, berichtete er.

Nobelpreisverdächtig ist der Japaner Dr.Tsunoda, der mit einigen Tricks die rythmischen Bedingungen des Unterbewußtseins erforscht hat. Die Bilder aus seinem Computer zeigen ganz deutlich, daß in den USA aufgewachsene Japaner auf Musik mit ganz anderen Wellen reagieren als die im Heimatland gebliebenen. Trotzdem sei es nicht möglich, die Funktionen, etwa Rechnen oder das Hören von Musik, eindeutig auf die eine Hälfte des Gehirns zu beziehen. Einig sind sich die Wissenschaftler nur, daß die Sprache in der linken Hemisphäre lokalisiert ist - um dies festzustellen, muß man am Patienten Narkotisierungen vornehmen, sonst stellt sich der Effekt nicht ein.

In Kanada ist man bei der Entschlüsselung der Hirn -Geheimnisse besonders optimistisch. Dr.Hope aus Montreal untersucht schon lange die Hintergründe der Selbsthypnose. Dabei greift er auf soziologische Theorien zurück, die insbesondere die Umwelteinflüsse berücksichtigen. Die Effekte der Einbildungskraft und des Vorstellungsvermögens seien direkt meßbar, oft aber sei es schwierig, sie im einzelnen zu erklären.

Die Vorträge wurden ausschließlich von Männern gehalten, die beiden anwesenden Frauen waren als Übersetzerinnen vom Deutschen ins Englische zuständig. Das einzige Lob kann dem schon etwas betagten Professor Pribram aus Stanford/Kalifornien ausgesprochen werden, der offen zugab, er würde lieber Haifische als Affen und Menschen untersuchen. Er polemisierte gegen das „Zwei-Hälften-Modell“ und wandte ein, daß wir ja auch vorn, hinten oben und unten unterscheiden können, mit anderen Worten, daß ein dualistisches Modell vom Gehirn mit zwei Komponenten fehlerhaft bleibt.

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