: Nebel-betr.: "Reformeifer in Ungarn" und "Reform ist zur Zeit nicht populär", taz vom 14.9.88
Betr.: „Reformeifer in Ungarn“ und „Reform ist zur Zeit nicht populär“,
taz vom 14.9. S. 10
Die taz eine radikale, aufklärerische Zeitung? Wohl kaum. Statt dessen Phrasen und ideologischer Nebel - warum könnt ihr es nicht der 'FAZ‘ überlassen, für IWF und Marktwirtschaft zu werben? Ihr schreibt, Südkorea „gilt als Vorbild“ für Ungarn. Von welchen Kräften es als Vorbild angesehen wird, darüber erfährt der Leser nichts. Wer hat wohl Interesse daran, daß ein sozialistisches Land einem von IWF und Multis ausgebauten, kapitalistischen Trikont-Land nacheifert. Noch nie von den Zuständen in Südkorea gehört (und wer davon profitiert)? Für das Kapital gilt Südkorea allerdings als Musterland! IWF-Mitglied Ungarn - wohl nicht zufällig im Ostblock am höchsten verschuldet - strebt „Reformen“ an. Welch Schönfärberei! Bei der hohen Verschuldung darf mensch raten, wer sich diese „Reformen“ ersonnen hat. Mehr „Markt“, neunprozentige Reallohneinbußen, 50.000 bis 60.000 Arbeitslose mehr, Streichung der kostenlosen Krankenversorgung etc. Im Trikont heißt diese IWF-Knechtschaft „Strukturanpassung“ und führt dort bekanntermaßen zu Hunger, Elend und Tod. Ungarn soll „wettbewerbsfähig“ werden, und das hieß doch bisher immer: besser ausplünderbar fürs westliche Kapital. Im übrigen bin ich weder Ungarn- noch Wirtschaftsexperte. Nur: Die Fakten stehen in euren Reform-Werbeartikeln. Aufgabe einer aufklärerischen Zeitung wäre es allerdings, auch die Zusammenhänge zu analysieren und zu benennen, statt sie mit Begriffen aus der Mottenkiste der „Marktwirtschafts„ -Ideologie zu vernebeln. Euer penetranter Antikommunismus bringt euch dazu, Beifall zu klatschen, wenn Multis und IWF auch noch die sozialistischen Länder in ihre Ausbeuter -Klauen bekommen, wenn die Ungarn vom Regen in die Traufe kommen. Warum wohl ist die „Reform ... zur Zeit nicht populär“ bei den Ungarn (im Gegensatz zur taz, für die seit Gorbatschow jede Ostblock-Reform unhinterfragt ganz toll ist)?
Ralf, Berlin
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
