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Harsche Worte in Polens Parlament

■ Regierungsrücktritt vom Parlament abgesegnet / Polnische Presseagentur veröffentlicht Kritik der Debattenredner

Berlin (afp/taz) - Das polnische Parlament hat im Beisein von Parteichef Jaruzelski den Rücktritt der Regierung Messner mit 359 gegen eine Stimme und bei 17 Enthaltungen angenommen. Messner und sein Kabinett wurden von den Abgeordneten beauftragt, die Amtsgeschäfte bis zur Ernennung einer neuen Regierung weiterzuführen. Diese wird voraussichtlich auf der nächsten Parlamentssitzung am 28.September berufen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß Messner und einige der bisherigen Minister auch dem neuen Kabinett angehören.

Vor der Abstimmung hatte Messner die Abgeordneten aufgefordert, sein Rücktrittsangebot „im Namen der Staatsraison“ zu billigen. Das Parlament verabschiedete gleichzeitig eine Resolution über die „Realisierung der Reformen“ sowie die „sozioökonomische Situation“ in Polen, über deren Inhalt aber noch keine genaueren Informationen vorliegen.

In der lebhaften Parlamentsdebatte gingen einige Redner weit über den von der Partei abgesteckten politischen Rahmen hinaus. Ein Abgeordneter verlangte eine „radikale Reform“ der Führungsrolle der Partei und ein Vertreter der Bauernpartei, der Abgeordnete Mikolaj Kozakiewicz, bemängelte nach Angaben der polnischen Nachrichtenagentur 'PAP‘ die Statistenrolle der Regierung, die nur die Beschlüsse der Partei ausführen könne. „Im derzeitigen politischen System ist die Regierung nicht souverän“, stellte er fest.

Die Wurzeln des gegenwärtigen Systems lägen in der stalinistischen Epoche. „Eine radikale Reform der Wirtschaft und des sozialen Systems ist ohne gleichermaßen radikale Veränderung der Führungsrolle der Partei nicht möglich.“

Der parteilose Parlamentarier Professor Ryszar Bender von der Katholischen Universität Lublin forderte Staatschef Jaruzelski auf, sich mit Lech Waslesa zu versöhnen. Das Land brauche einen sozialen und politischen Kompromiß zur Überwindung der Krise.

In einem Interview des österreichischen Fernsehens äußerte Regierungssprecher Urban die Hoffnung, daß die neue Regierung sich bemühen wird, das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen.

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