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AKW Cattenom läuft illegal weiter

Europäischer Gerichtshof erklärt Betrieb der Blöcke I und II des Atommeilers für rechtswidrig / Jo Leinen prüft „Einstweilige Verfügung“ / Französische Regierung fühlt sich nicht an die Entscheidung gebunden  ■  Von Gerd Rosenkranz

Berlin(taz) - Der Betrieb der Blöcke I und II des französischen Atomkraftwerks Cattenom verstößt nach einem gestern in Luxemburg verkündeten Urteil des Europäischen Gerichtshofs gegen EG-Recht. Trotzdem denken weder die französische Regierung noch die staatliche Betreibergesellschaft „Electricite de France“ (EDF) daran, den Atommeiler im deutsch-französisch-luxemburgischen Dreiländereck abzuschalten. Das höchste europäische Gericht schloß sich im wesentlichen der Auffassung von Generalanwalt Gordon Slynn (eine Art europäischer Staatsanwalt) an, wonach Frankreich die EG-Kommission nicht rechtzeitig vor der Inbetriebnahme über den radioaktiven Ausstoß des Atomkomplexes und die möglichen Belastungen der Nachbarländer informiert hat. Damit habe Paris gegen Artikel 37 des Euratom-Vertrages verstoßen.

Die Klage war von der Saarländischen Landesregierung und zahlreichen Kommunen und Bürgerinitiativen auf den Weg gebracht worden. Das zunächst zuständige Verwaltungsgericht in Straßburg hatte den Europäischen Gerichtshof angerufen und ist nun an das höchstrichterliche Urteil gebunden. Über die Konsequenzen herrscht noch Unklarheit. Freundlich meldete sich das Industrieministerium in Paris zu Wort. Man werde den „Gerichtsentscheid bei allen künftigen Genehmigungsverfahren für radioaktive Ausstöße“ berücksichtigen und den Betrieb der betroffenen Reaktorblöcke in Cattenom so schnell wie möglich mit den Bestimmungen in Einklang bringen. Was das praktisch bedeutet, ließ unmißverständlich ein hoher EDF-Funktionär verlauten: „Wir schalten auf keinen Fall ab“.

Der saarländische Ministerpräsident Oskar Lafontaine und sein Umweltminister Jo Leinen begrüßten das Urteil überschwenglich als „richtungweisend“. Die „EG-Kommission dürfe sich nicht zum Briefkasten der Atom-Lobby degradieren lassen“. Den starken Worten folgte die eher vorsichtige Ankündigung, die Landesregierung werde „die Möglichkeit einer einstweiligen Verfügung prüfen“, um den rechtswidrigen Betrieb der beiden Blöcke I und II in Cattenom zu stoppen.

Die Kläger hatten vor dem Gerichtshof darauf hingewiesen, daß die Grenzwerte für radioaktive Ableitungen aus dem Atomkomplex Cattenom in die Mosel 15mal höher sein dürfen, als in der Bundesrepublik. Außerdem seien die insgesamt vier Reaktorblöcke von sechs Flughäfen umgeben und dennoch nicht ausreichend gegen Flugzeugabstürze gesichert.

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