Fünf Kringel fürs TV-Gerät

■ Sportreporter Mins Minssen verbringt seit einer Woche die Nächte mit Heribert, Stanley, Jürgen und Klaus und bekommt davon olympiaringgroße Ringe unter den Sportguck-Strahle-Augen

Glasige Augen, die Tränensäcke weit gebeutelt und eine Hand immer in Reichweite der Kopfschmerztablette. Das sind die halbprofessionellen Olympia-Gucker, nachts, ab eins, wenn alle anderen schlafen. Kaum, daß Hans-Joachim Kulenkampff (der Bremer) seinen Gedanken mit dem bedeutungsvollen Abnehmen der Lesebrille Nachdruck verliehen hat, geht es auch schon los. Seoul-Jingle, Go-For-Gold-Hit und dann Heribert Faßbinder mit dem Kukident-Zwei-Phasen-Grinsen. Da mag noch so viel organisiert, geplant, vorbereitet sein, der Sport hat seine eigenen Gesetze. Besonders nachts. Korea liegt nun mal in Asien, und das ist weit weg. Wenn die Creme der deutschen Sportjournalisten sich anschickt, uns das Welttreffen der Jugend ins Haus zu tragen, ist es da genau 9 Uhr morgens. Über den Hügeln am Han-Fluß geht die Sonne auf, und dichter Nebel erschwert die Sicht. Das Frühstück im olympischen Dorf war wie gewohnt kalorienarm, aus Bruckmühl noch immer kein Medaillenglückwunsch eingetroffen, und das Reporterteam kennt kein Erbarmen. „Bei der Military-Dressur ist gerade die Neuseeländerin am Start, darum nun ein erster Eindruck von der Ruderstrecke.“

Dort ist es natürlich auch neblig wie bei Meiers in der Heißmangel, doch Stanley Schmidt vom SFB kommt vor Spannung fast um. Irgendeine Frau in Rennfahrerhosen skullt da für Rumänien dem Sieg entgegen, in einem der drei Vorläufe.

Also zurück zu Hans-Heinrich Isenbarth und seinen Tressen und Kandaren. „Diese Pferde stehen hoch im Blut, und sie wollen laufen und laufen“, sagt er immer wieder, und er wird schon wissen warum. „Schauen Sie nur, wie geschmeidig das Tier die Hilfen der Reiterin annimmt. Diese Pferde können alt werden, ohne Schaden zu nehmen.“ Mensch Heinrich, Du hast wohl nicht mitgekriegt, wie Killing Bitch aufs Maul geknallt ist, fast so wie dieser Kunstspringer. Daß sie den nicht notschlachten mußten, war ohnehin ein Wunder. Also ab zu Jörg Wontorra in die Schwimmhalle, wenigstens einer, der etwas mit Bremen zu tun hat. „Die Nacht eins nach dem Debakel“ kündigt er gerade an und hat total vergesen, daß Michael Groß erst um halb vier „dem hohen Erwartungsdruck standhalten muß.“ Zuerst schwimmen immer die, die nicht unter den ersten 75 der Weltrangliste zu finden sind, aus Brunei und Trinidad Tobago z.B.

Die Bremerin Heike Gehrmann schießt doch tatsächlich ein Hockey-Tor gegen Südkorea, und dem Bremer Segler Roland Gäbler steckt ein Tauknüpp im Ruder. Die Nachrichten überschlagen sich. Das libysche Team sei endlich auch eingetroffen, berichtet einer, obwohl die doch schon bei der Eröffnungsfeier mitmarschiert sind. Das waren aber bloß Sportjournalisten. Bildertrunken stellen wir uns Grausam -Metaphoriker Hans-Joachim Rauschenbach beim Einmarsch vor. Schauder.

Halt, war das nicht Gunnar

Sauer dort auf der Ersatzbank, gerade als die Kamera auf das Transparent BR Deutschland Beifallrufergruppe schwenkte? Noch ein Bremer. Die Rufergruppen sind übrigens bestellte Koreaner, die jeweils für eine bestimmte Nation jubeln, der olympischen Idee wegen. Für umsonst und das bei einem Mindestarbeitstag von zehn Stunden. So sind sie.

Lauter Verrückte zu nachtschlafener Zeit: der halbblinde Ungar, der 3200 m zum Einschwimmen benötigt, das sind immerhin 64 Bahnen. Oder den göttlichen Ringer-Reporter Klaus

Angermann, der einen radebrechenden Bayern doch wirklich ansülzte:„Sie sind ein gestandener Mann, der reden kann“. Weit gefehlt, Klaus, drei Worte hintereinander waren für Deinen Gesprächspartner schon ein abendfüllender Satz. Und die Nacht will und will nicht herum gehen, dabei warten wir nur noch auf Reiner Gies und seinen vorentscheidenden Kampf gegen Basil Maeglage von den Salomon-Inseln. Basil erscheint nicht einmal zum Wiegen, Reiner kommt so weiter. Nun denn, sie spielen immer noch Hockey und erhalten grüne Karten, weil sie nicht genug Abstand halten können. Keiner weiß warum, und es geht gegen vier Uhr MESZ. „Etes-vous pretes? Partez!“, erschallt es erneut vom Han -Fluß, und wir gucken schon gar nicht mehr hin. Ein Doppel -Zweier mit 37er-Rhythmus wird nur dritter und muß in den Hoffnungslauf. Stanley Schmidt ist begeistert.

Die Augen werden immer glasiger und Hoffnung auf irgendwas Interessantes will einfach nicht aufkommen. Glotze aus, es ist kurz nach fünf. Und Blaine Reiningers: „No tears for the creatures of the night.“ Heribert, Klaus und Stanley, bis nachher.

Mins Minssen