„Mittelfristig bemerkbar machen“

Armin Baumert über die Ziele des Berliner Olympiastützpunktes  ■  Olympiade - Nachgehakt

Zufriedene Gesichter sieht man im Berliner Olympiastützpunkt (OSP) derzeit selten. Zwar sitzen einige der 29 Berliner Seoul-Aktiven noch in den Startlöchern, aber der Negativtrend, in dem sich die bundesdeutsche Equipe befindet, ist auch an den Spree-Athenern nicht vorübergegangen: Hochspringer Dietmar Mögenburg ringt noch um seine alte Form, Marathonläuferin Kerstin Preßler plagte sich mit einer Erkältung herum; für Radfahrer Thomas Dürst kam bereits frühzeitig das Aus, während der hochgelobte Fünfkämpfer Detlef Kreher nach einer letzten mannschaftsinternen Ausscheidung erst gar nicht nominiert wurde. Dabei zählt Krehers Sportart ebenso wie Radfahren und Leichtathletik zu jenen Diziplinen, auf die sich der 1986 gegründete Berliner OSP konzentriert hat.

„Nein, für Seoul kam unsere Arbeit sicherlich zu spät“, wehrt OSP- Leiter Armin Baumert, ein ehemaliger Vizeeuropameister der Weitspringer, alle Vor-Urteile über den Berliner Stützpunkt energisch ab, „denn unsere Arbeit wird sich erst mittelfristig bemerkbar machen“. Mittelfristig, also in den neunziger Jahren, sollen die insgesamt 14 OSP im Bereich des DSB den Vorsprung der führenden Sportnationen aufgeholt haben. Das Herz des OSP, die aus dem Etat des Bundesministeriums finanziert werden, bildet eine umfassende soziale und medizinische Betreuung, die man am (Sport-) System des Ostblocks abgeguckt hat: der Aktive soll sich ganz dem Training widmen können - für sein Wohlergehen, angefangen bei passenden Kontaktlinsen bis hin zur beruflichen Karriere sorgt, platt gesprochen, „Vater Staat“.

In der Tat weist das OSP-Konzept frappierende Ähnlichkeiten mit der allumfassenden Sportförderung der DDR auf. Ein „Karriereberater“ kümmert sich um das Fortkommen des bildungsbereiten - Athleten, der überaus fachmännisch von einem exzellenten Mediziner-Team versorgt wird. So konnte für Berlin der bekannte Orthopäde Professor Zimmermann aus Saarbrücken losgeeist werden. Wessen Leistungskurve jedoch dauerhaft nach unten zeigt, wird fallengelassen, denn die OSP-Methode bedeutet eine „klare Abkehr vom Gießkannenprinzip“, umschreibt Armin Baumert das „survival of the fittest“ in der reformierten Sportförderung.

Die relativ geruhsamen Förderpraktiken des Josef Neckermann dürften damit endgültig in dessen Versand-Katalogen verschwinden. Denn obgleich die SpitzenkönnerInnen längst auf Tartan rennen, gilt nach wie vor das ungeschriebene Gesetz der Leichtathletik:„Aschenbahn heißt Aschenbahn, weil da Kohle gemacht wird.“

Aber genau beim Kampf ums Geld werden im bundesdeutschen Spitzensport zwei Welten aufeinandertreffen. Einerseits die OSP-gesponserten Helden, andererseits die vagabundierenden „Kleinunternehmer“ Marke Siggi Wentz, Michael Kolbe oder „Hollywood-Hingsen“, der alleine schon des wirtschaftlichen Überlebens wegen in Südkorea starten mußte. Ungeachtet aller ideologischen Zwistigkeiten zwischen diesen Prototypen muß sich Baumert die Frage stellen, wer überhaupt seinen Stall füllen soll, wenn die alten Größen wie Thränhardt, Mögenburg oder Schmid abgetreten sind? Dahinter klafft nämlich eine qualitative und quantitative Lücke im Nachwuchsbereich, die selbst mit Olympiastützpunkten schwer zu füllen sein wird. Das Resultat wäre schlimmstenfalls eine kostspielige Ausgabe von „Jugend trainiert für Olympia“.

Jürgen Schulz