: Frontalunterricht über Lobby-Arbeit
Auf der Öko-Konferenz stellten US-Umweltschutzgruppen vor, wie sie über den US-Kongreß auf die Weltbank-Arbeit Einfluß nehmen ■ Von Ulli Kulke
Berlin (taz) Pragmatismus ist es, was die amerikanische Gesellschaft auszeichnet, und davon sind die Oppositonsgruppen nicht ausgeschlossen. Es war daher abzusehen, daß Welten aufeinanderprallen, wenn die breitgefächerte US-Umweltschutz-Bewegung hier in Berlin auf dem Öko-Kongreß „Umweltzerstörung und Weltbank“ ganz unbefangen dafür wirbt, ökologische Lobbyarbeit in der Weltbank zu betreiben. Ist es doch gerade die prinzipientreue Ablehnung jedweden Gespräches mit Vertretern von IWF und Weltbank, die weite Teile des Aktionsbündnisses „IWF- und Weltbankkampagne“ vereint.
Bruce Rich von der renommierten US-Gruppe „Environmental Defense Fund“ mußte sich denn auch in einer Arbeitsgruppe zu diesem Thema ein Argument vorhalten lassen, das die Lobbyarbeit als schlicht unlogisch darstellte: „Lobbyarbeit für mehr Umweltschutz in der Weltbank ist deshalb völlig unmöglich, weil die Weltbank nicht die Entwicklung vorantreiben will, sondern die Industrialisierung und Weltmarktanbindung“.
Dieses Argument wollten jedoch Rich und sein Kollege Jim Barnes vom „Environmental Policy Institute“ nicht gelten lassen. Ihrer Ansicht nach ist es eine „Paralysierung“ und „Selbst-Marginalisierung“, wenn europäische Weltbank -Oppositionsgruppen die vielfältigen Ansatzpunkte ignorierten, die sich für die Einflußnahme auf die Politik der Bank böten. Wenn sie auch durchaus dialogwillig sind, wollte dennoch niemand in dieser Arbeitsgruppe über Sinn und Unsinn solcher Einflußnahme mitdebattieren. Die vielen bundesdeutschen Umweltorganisationen wie BUND oder Naturschutzring, die auf dem Kongreß breit vertreten waren, meldeten sich in dieser Arbeitsgruppe nicht zu Wort. So entwickelte sie sich mehr oder weniger zum Frontalunterricht über amerikanische Lobbyarbeit.
Nach der Auffassung Bruce Richs sind es die jeweiligen Regierungen, die den besten Ansatzpunkt für diese Arbeit in Richtung Weltbank böten. Die Bank wird schließlich von den Etats der Staaten getragen. Die Amerikaner mußten allerdings eingestehen, daß sie es einfacher hätten, da das Thema Weltbank im US-Kongreß eine weit größere Aufmerksamkeit genießt, als es etwa im Deutschen Bundestag der Fall ist. Eine Chance böte dabei die generelle Weltbank-Skepsis, die sich vor allem im konservativen Republikanerflügel breitgemacht habe, dem die ganze Angelegenheit, bisweilen auch die Entwicklungshilfe insgesamt, eher nach Geldverschwendung riecht.
Auf diesem Weg habe man immerhin ein neues Gesetz durchgebracht, das die US-Agentur für Internationale Entwicklung in Zusammenarbeit mit den US-Botschaften dazu verpflichtet, im Sechsmonats-Rhythmus eine Liste aller Weltbankprojekte zu erstellen, die ökologisch ins Gerede gekommen sind. Der Kongreß muß dann darüber befinden, ob man über die Weltbank diese Projekte weiterfinanzieren wolle.
Auch in direkter Kontaktaufnahme versuchen die US -Umweltverbände, Weltbankvertreter zu mehr Umweltsensibilität in ihrer Projektpolitik zu überzeugen. Bruce Rich schreibt es sich auf die Erfolgsliste, daß die Weltbank in einem Report ausdrücklich die Einflußnahme der amerikanischen Nichtregierungs-Organisationen (NGO) anerkannt hat. Auch Zusagen der Bank bei einzelnen Projekten, die Umweltverträglichkeit zu überprüfen, hält man sich zugute.
Bei der Einflußnahme auf die konkrete Projektdurchführung sind jedoch höchstens Teilerfolge zu verzeichnen. So wurde das umfangreiche Regionalentwicklungs-Vorhaben „Polonoroeste“ im brasilianischen Regenwald 1985 auf Interventon der US-Verbände in Zusammenarbeit mit der grünen Bundestagsfraktion zwar storniert. Inzwischen muß Rich jedoch eingestehen, daß es nunmehr etwas modifiziert doch fortgesetzt werden wird und der Wald wieder mal ein wenig mehr dran glauben muß. Auch in einem zweiten Fall, der gerade dieser Tage aktuell ist, fürchtet der Environmental Defense Fund trotz harter Lobbyarbeit eine Niederlage. Über die zweite Tranche eines Energie-Sektorkredits, mit dem die Weltbank in Brasilien - ebenfalls auf Kosten großer Waldflächen - Staudammprojekte mitfinanziert, soll dieser Tage in Washington entschieden werden (siehe auch das nebenstehende Interview).
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