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besuch der alten fahne

■ das minidrama als literarische form von kunstkurzstücken, meist einakter - oder: bürgermeister empfängt marie panabad, argentinische generalkonsulin, zum phototermin

das bühnenbild scheint etwas unentschieden: flur im ersten stock des bremer rathauses. vor dem dienstzimmer des bürgermeisters stehen einige podeste gestapelt. dieser kontrast zu glänzendem parkett und glitzernden kristall leuchtern erstaunt in einer inszenierung von politprofis. jedenfalls wird hier lebendige spontaneität suggeriert, die man sonst eher vom freien theater kennt. der ruhige, gemessene charakter pape führt ein mit der erklärumg: es handelt sich nicht um den antrittsbesuch von frau generalkonsulin nelly marie freyre panabad,

sondern um ihren ab-tritts-be such. (man hatte realistisches theater erwartet, nun weist aber einiges auf das genre des absurden hin). dann tritt die protagonistin auf. zierlich streng und schlicht kostümiert, mit gerafftem dunklem haar, macht sie einen bestimmten eindruck.

anklopfen, die tür zum dienstzimmer wird geöffnet: der erste blick fällt auf den grossen schreibtisch, darauf akkurat geordnet einige unnütze gegenstände. kühle autorität. eine fahne mit dem bremer schlüssel ist ein etwas plattes requisit, aber zwei

felsohne effektvoll.

mit der elegant inszenierten handbewegung, die man aus allen vergleichbaren szenen der weltliteratur kennt (ruhig aus der schulter geführt), wies der bürgermeister der dame ihren platz in einem der sessel zu. auf der glasplatte des niedrigen tisches gediegenes silber. auf seine typische, kühle art dahingeworfen kam jetzt die entscheidende frage: „kaffee?“

dann schliesst der vorhang, das stück dauerte zwei minuten. die inszenierung war professionell vorbereitet, liess den zuschauer aber trotzdem kalt.

j.m.o.

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