UNLEIDLICHE BILDER

■ „Zeitvergleich '88“ 13 Maler aus der DDR im Neuen Kunstquartier im T.I.P.

Ich sage leise „Mist“ und denke laut was Schlimmeres. Ich stolpere unglücklich durch diese Ausstellung und suche nach dem rettenden Bild. Warum zum Teufel, kann ich den Bildern der 13 DDR-Maler, die nun endlich hier zu sehen sind, kaum etwas abgewinnen? Was ist bloß los? Ich kann mich noch an angeregte Seminar-Diskussionen erinnern, in denen man sich mit einem unendlichen Hunger auf die Geschichtsinterpretationen der Historienbilder Werner Tübkes stürzte. Walter Libudas exzessive Farbgewalten haben mich, als ich seine Bilder in der Galerie Westphal vor zwei Jahren sah, gebannt. Angela Hampels angepunkte Frauen mit Flügeln und Schlangen hätten mich vielleicht vor wenigen Jahren durch Wildheit und Geheimnis gereizt, während sie mir jetzt nur wie ein Abziehbildchen weiblicher Exotik erscheinen. Harald Metzkes existentielle Parabeln verpackt in etwas angestaubte Bilder vom Zirkus und Theater, von Hafen- und Kneipen-Szenen wären mir woanders vielleicht lieb geworden wie ein nicht gerade neuer, vom häufigen Lesen aber schon ganz zerfledderter Roman.

Doch in dieser Ausstellung entsteht ein unleidlicher Gesamt -Eindruck, der die Lust, ins Einzelne zu gehen, zerstört. Hat es für diesen Umschlag der Wahrnehmung etwas zu bedeuten, daß man jetzt den einzelnen DDR-Maler nicht mehr unter dem Vorzeichen der außergewöhnlichen Gelegenheit sieht, daß ihre Präsentation nun zugleich als Aushängeschild der Weltoffenheit Berlins dient? Da sind die Augen satt, bevor sie noch hungrig werden konnten. Da brüsten sich die Maler mit Können und Wissen und haben das kunsthistorische Zitat fest im Griff. (Käme man als Kurzsichtiger ohne Brille in diese schicken Hallen, man könnte sich in einem ganz anderen Museum wähnen: Dort ahnt man ein Doppelportrait von Dix, hier ein Tryptichon von Beckmann, in dieser Dunkelheit vermutet man eines der schwarzen Bilder von Goya, da glaubt man einen Expressionisten, hier einen alten Meister vor sich zu haben. Es wird schließlich zu einem ganz eigenen bildungsbürgerlichen Ratespiel, die beerbten Künstler herauszufinden.) Die Leidenschaft und der Drang der Maler bricht bei Heisig, Libuda, Uhlig, Ebersbach, Giebe, Liebmann und Wenzel über den Betrachter herein wie Kraftprotzerei und lautes Geschrei. Sie leben sich auf den Leinwänden aus und dieses Ausleben wird exhibitionistisch inszeniert.

Die Ausstellung schmückt sich mit dem Nimbus, einer mißachteten Kunstszene endlich die notwendige Anerkennung zu verschaffen. Ein wenig scheint es, als würden die Mühen und Querelen, die es gekostet hat, die Bilder der DDR-Maler in eine West-Berliner Ausstellung zu bekommen, den Bildern nun selbst schon einen heldischen Glanz und Panzer der Unantastbarkeit verleihen; als hätten die Maler selbst mit aufrüherischem Pinsel eine Schlacht gegen die Bürokraten geschlagen.

In ihren Katalogtexten bemühen sich der Galerist Dieter Brusberg, der die Ausstellung mit der Berliner Festspiele GmbH und dem Staatlichen Kunsthandel der DDR veranstaltet, und Eberhard Roters, der die Maler in ihren Ateliers besucht hat, mögliche Kritik an den Bildern vorwegzunehmen und zu verhindern. Ein merkwürdiges Gefühl erwächst mir als Leserin, als könne ich das Unzufriedensein mit diesen Bildern nur als ein Schuld-Bekenntnis äußern. Fürchten die Veranstalter und Autoren, daß mit dem Ablehnen dieser Bilder etwas das gesamte Programm eines Kulturaustausches getroffen werden könnte? Genausowenig braucht aber Kritik an dieser Ausstellung allgemeine Verdammnis der DDR-Kunst zu bedeuten.

In Brusbergs Text schwingt ein drängender, fast beschwörender Ton mit, der darum bittet, selbst wenn man mit diesen Bildern wenig anfangen kann, auf keinen Fall die Mühen der Maler verächtlich zu machen: „Form ist schon immer aus Form entstanden und wird zur Kunst nicht durch die Erfindung einprägsamer Markenzeichen, sondern Not oder Glück, Leid oder Liebe. Durch Leben jedenfalls. Durch Anstrengung. Und durch den kleinen Funken. Gültige Urteile was war Zeitgeist, was zeitlos? - wird erst die Zeit finden.„

Als würde das Leben in der DDR eine bestimmte drängende malerische Triebstruktur hervorbringen, in der man nun keinesfalls unsensibel herumpopeln soll.

Roters baut sich in seinem Text zuerst eine die Kunst der Welt (und nicht nur Westeuropas und der USA, nein auch der Japaner und Chinesen) in den Blick fassende Perspektive auf, um dann von dieser hohen Warte aus ein übergreifendes Qualitätsmerkmal in den Bildern dieser Ausstellung zu entdecken, das er als „sächsisch“ klassifiziert: ein intensiver, kämpferischer und hungriger Umgang mit der Farbe. Da meint er unter Umständen dasselbe, was mir von meinem kleinkarierten West-Berliner Standpunkt aus so penetrant als exaltiertes männliches Kunstgetue in die Augen springt: auf die Tube drücken, daß die Farbe spritzt.

Katrin Bettina Müller

Zeitvergleich '88 13 Maler aus der DDR im Neuen Kunstquartier im T.I.P., Gustav-Meyer-Allee 25, Berlin 65, bis 20.November, täglich 11-19 Uhr.