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„Die Ehrlichen wissen, wie recht Du hast“

Ein Polizist, der kein „Bulle“ sein will, macht sich unbeliebt / Manfred Such, für drei Monate zwangsversetzter Ex-Kripo-Chef von Werl, bringt mit seiner Polizeikritik viele Berufskollegen zur Weißglut / Entscheidung über Rückversetzung noch nicht gefallen  ■  Aus Düsseldorf Walter Jakobs

„Die Ehrlichen unter uns wissen, wie Recht Du hast“, schrieb ein Kriminalbeamter aus Düsseldorf. Und ein Kollege aus Wiesbaden ließ wissen: „Ich habe Ihr Buch in einem Ritt gelesen. Es hat mich wieder bestärkt für eine andere Polizei einzutreten.“ Die ermutigenden Briefe kann Manfred Such, Ex -Kripo-Chef in der westfälischen Kleinstadt Werl, derzeit gut gebrauchen. Während nach seiner Buchveröffentlichung Bürger Statt Bullen, Klartext Verlag - nahezu täglich positive Zuschriften von Berufskollegen eingehen, sieht die Situation in Werl und im Kreis Soest für den Sprecher der „Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer Polizisten und Polizistinnen“ alles andere als rosig aus. Seitdem Such in der WDR-Talk-Show 3 vor Mitternacht am 28.8.88 die oftmals rechtswidrigen Praktiken von Polizeibeamten im Dienst unverblümt ansprach, sieht er sich neben der Disziplinierung durch den Soester Oberkreisdirektor auch einer wahren Flut von Strafanzeigen von Seiten seiner Berufskollegen ausgesetzt. Denn in der WDR-Sendung hatte Such dem Berliner Ex-Innensenator Heinrich Lummer gefragt: „Was glauben Sie denn, was passiert, wenn ich als Polizist hingehe und sage: Da hat ein Kollege rechtswidrig gehandelt? Das erlebe ich in meinem praktischen Dienst fast täglich. Der Polizist, der sagt, hier hat die Polizei rechtswidrig gehandelt, muß damit rechnen, daß er geschnitten wird, daß er letztlich unmöglich gemacht wird bei der Polizei, und daß er dann seinen Dienst quittieren muß, weil es für ihn persönlich unerträglich wird.“

Beleidigung und

„üble Nachrede“

Ohne Rücksprache mit dem Regierungspräsidenten und dem Innenministerium verfügte der Werler Oberkreisdirektor Rudolf Harling (CDU) am 18. Juli die Umsetzung des aufmüpfigen Kripobeamten „auf unbestimmte Zeit, längstens auf drei Monate“ von Werl nach Soest. Gleichzeitig leitete Harling ein Disziplinarverfahren und ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren ein. Beide Verfahren mußte der Oberkreisdirektor zwar später auf Weisung des Regierungspräsidenten - der wiederum entsprechend von Innenminister Schnoor instruiert worden war - zurücknehmen, aber dennoch liegen inzwischen gleich mehrere Dutzend Strafanzeigen von Polizeibeamten der Region „wegen Beleidigung und übler Nachrede“ gegen Such beim zuständigen Staatsanwalt in Arnsberg vor. Organisiert von der kleinen, reaktionären „Polizeigewerkschaft im deutschen Beamtenbund“, unterschrieben Polizisten standardizierte Anzeigentexte. Ein illustre Gesellschaft, zu der zum Beispiel auch Christian G. aus Hamm gehört, der wegen verschiedener Delikte im Dienst vom Polizeihauptkommissar zum Polizeihauptmeister degradiert worden ist.

Kampagne gegen

den Nestbeschmutzer

In Werl selbst unterschrieben 43 Beamte der Schutzpolizei, etwa zwei Drittel der Dienststelle. Allein auf seinem Kriminalkommissariat forderte die Mehrheit die sofortige Rückkehr ihres Chefs. In die Kampagne gegen den „Nestbeschmutzer“ schaltete sich auch der „Bund Deutscher Kriminalbeamter“ (BDK) ein, im dem bundesweit 11.500 Kripobeamte organisiert sind. Der Werler Kommissariatsleiter, der bei der letzten Bundestagswahl für die Grünen nur knapp den Einzug in den Bundestag verfehlte, versuche „auf Kosten seiner Kollegen bei den Grünen Karriere zu machen“, erklärte der Dortmunder Bezirksverband. Such ziehe einen „ganzen Berufsstand in den Schmutz“ nur um „endlich einen sicheren Listenplatz“ zu bekommen. Zugleich diffamierte der „BDK“ Such als geldgierigen Karrieristen, der nur sein Buch verkaufen wolle: „Wenn die Startauflage von 100.000 Stück verkauft ist, hat er 150.000DM auf seinem Konto.“ Nun, die Startauflage ist inzwischen vergriffen - es sind aber nur 3.000 Exemplare.

Das Buch wird indes von prominenter Seite verteidigt. Der ehemalige Chef des Landeskriminalamtes in Niedersachsen, Waldemar Burghard, schreibt in der Oktoberausgabe der Fachzeitschrift 'Kriminalistik‘, „daß dieses Buch wirklich in die Hände eines jeden Polizeibeamten gehört, damit der 'Ist-Zustand‘ unserer Polizeikultur aufgezeigt wird“.

Rudolf Harling, nach seinem höheren Orts unerwünschten Vorpreschen inzwischen ein gebranntes Kind, mag zum „Fall Such“ derzeit „gar nichts sagen“. Im Schnoor-Ministerium sucht man „eine gütliche und einvernehmliche Lösung“ zwischen allen Beteiligten. Manfred Such jedenfalls will zurück auf seinen Posten. Eine Versetzung, so Such zur taz, müsse wie eine Bestrafung interpretiert werden, nach dem Motto, „wer den Mund aufmacht, wird versetzt“. Das führe in der Praxis dazu, „daß Kollegen noch schweigsamer werden“.

„Der einzige Grund, der gegen eine Rückversetzung spricht“, ist nach den Worten von Michael Makiolla, Pressesprecher des Arnsberger Regierungspräsidenten Richard Grünschläger (SPD), „die mangelnde Akzeptanz durch die überwiegende Mehrheit der Kollegen in Werl. Weil man nur die Wahl habe, entweder einen oder 44 Beamte zu versetzen, sei es naheliegend die eine Person um Einverständnis zu bitten. Um dem Rehabilitierungswusch von Such entsprechen zu können, müsse aber, so heißt es in Arnsberg und Düsseldorf, „der Weg zu einem anderen Posten über Werl führen“. Zunächst also die Rückversetzung, dann die endgültige Versetzung auf eine andere, gleichrangige Position. Letztendlich könnte sich Such der Versetzung juristisch mit Aussicht auf Erfolg nur dann widersetzen, wenn der Personalrat in seinem Sinne widerspräche. Doch der steht offenbar geschlossen gegen ihn. Vorsitzender Arno Fluder, wie Such Mitglied der „Gewerkschaft der Polizei“, schrieb an den Hauptpersonalrat in Düsseldorf, daß Such „das Vertrauen im Gesamtkreis Soest verloren habe“. In einem Brief an den GdP-Landesvorstand in Düsseldorf legte Fluder sogar noch eine Schüppe nach. „In Werl“, so Fluder am 8.8. die Fakten verbiegend, „möchte niemand mehr mit ihm Dienst versehen.“

Entscheidung gegen

Gewerkschaftslobby?

Für Manfred Such, der in seinem Buch „für eine andere, bürgerfreundliche Polizei“ wirbt, stellt sich „jetzt die Frage, ob ich noch Polizist bleiben kann“. Wenn der Innenminister sich der Kampagne beuge, dann werde Kritik „völlig unmöglich“. Es sei bezeichnend, daß ein Personalrat, der „bei Straftätern auf der Dienststelle nie auf die Idee kommt zu sagen, mit dem möchte ich nicht zusammen arbeiten“, sich gegen jemanden stellt, „der nichts weiter als die Einhaltung von Recht und Gesetz auch im Polizeialltag fordert“. Inzwischen hätten einige Schutzpolizisten aus Werl ihre Unterschrift, wie Such sagt, „bedauert“ und von einem „Gruppenzwang“ gesprochen.

Innenminister Schnoor wird wohl nicht umhinkommen, eine Entscheidung gegen die regionale Polizeigewerkschaftslobby zu treffen. Politisch kann es sich die Landesregierung kaum leisten, Such fallen zu lassen. Erst am 15.Mai dieses Jahres hatte Such als Sprecher der „Kritischen Polizisten“ aus der Hand von Ministerpräsident Johannes Rau den Gustav-Heinemann -Bürgerpreis empfangen. Die Laudatio hielt Ex-Finanzminister Dieter Posser, der die „Kritischen Polizisten“ rühmte und sich „zuversichtlich“ zeigte, daß deren Beiträge „Änderungen und Verbesserungen bewirken werden“. In der SPD macht der „Fall Such“ Furore: Dietmar Zierer, SPD-Landtagsabgeordneter im bayerischen Schwandorf: „Es könne ja wohl nicht wahr sein, daß Such in NRW ein Schicksal ereile, von dem wir glaubten, daß das nun in Bayern möglich sein kann.“

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