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Schmutzige Tricks

George Bushs Wahlkampfleiter James Baker war ganz kategorisch. Wenn ihm heute die Debatten-Materialien von Mike Dukakis zugespielt würden, so sagte er am Sonntag morgen in einer Fernseh-Talkshow, brächte er sie ungelesen und auf dem kürzesten Weg ins Büro der Fernsehgesellschaft. Vor acht Jahren war Baker weniger streng. Damals beschaffte sich die Reagan-Kampagne Teile von Jimmy Carters „Briefing Book“, einem Ordner mit den potentiellen Antworten des damaligen Präsidenten für seine einzige Debatte mit dem konservativen Gouverneur aus Kalifornien. Baker nutzte die Insider-Informationen aus dem gegnerischen Lager, um Reagan auf die Debatte vorzubereiten.

Einige der Beteiligten an der Affaire, die als „Debategate“ in die Geschichte einging, bekleideten später hohe Funktionen in der Reagan-Administration. Der mehr als 2.000 Seiten starke Untersuchungsbericht eines Kongreßausschusses nannte 1984, vier Jahre nach der von Carter letztlich verlorenen Wahl, Namen: Der Auftraggeber der Spionageaktion gegen die Carter-Kampagne war der Reagan-Intimus William Casey, der später CIA-Direktor wurde; Unterstützung leistete auch Reagans erster Nationaler Sicherheitsberater Richard Allen; Anthony Dolan, ein hilfreicher Carter-Assistent, wurde Redenschreiber in Reagans Weißem Haus, und James Baker, der die Carter-Materialien von Casey erhalten hatte, avancierte vom Wahlkampfstrategen zum Stabschef und später zum Finanzminister Reagans.

Die Untersuchungskommission des Kongresses fand keinen Beweis, daß Reagan selbst von Caseys Unterwanderung der Carter-Kampagne gewußt hat, was den demokratischen Parteiboss Tip O'Neill zu der erleichterten Aussage veranlaßte, er sei darüber „glücklich, „denn das Land könne sich „kein zweites Watergate“ leisten. „Debategate“ war bald vergessen, genau wie eine weitere republikanische Sabotageaktion gegen den demokratischen Gegner zwölf Jahre zuvor, im Präsidentschaftswahlkampf von 1968.

Wie Seymour Hersh in seinem Buch „The Price of Power“ über Henry Kissinger unter Präsident Nixon berichtet, spielte Kissinger im Wahlkampf von 1968 ein doppeltes Spiel. Zum einen beriet er die Johnson-Administration bei ihren Bemühungen, die Pariser Vietnam-Friedensverhandlungen in Gang zu bringen, zum anderen hielt er Nixons Kampagne über Johnsons Absichten auf dem laufenden. Wenn es Johnson oder dem demokratischen Kandidaten Humphrey damals gelungen wäre, einen erfolgreichen Schritt in Richtung Frieden zu machen, hätte Nixon die Wahl unter Umständen verloren. Johnson verdächtigte gegenüber einem Journalisten die Nixon -Kampagne, dem südvietnamesischen Präsidenten Thieu Versprechungen gemacht zu haben, falls der eine harte Haltung gegen neue Vorschläge Johnsons einnähme. Thieu sei „ein besserer Deal“ versprochen worden, falls Nixon die Wahl gewänne.

Nixon gewann sie, und er fand den unsauberen Weg zum Wahlsieg so attraktiv, daß er vier Jahre später seine Klempner ins „Watergate„-Hotel in Washington schickte. Die Klempner waren zu ungeschickt und wurden erwischt.

Doch es dauerte noch zwei ganze Jahre, bis 'nicht zuletzt dank zweier Reporter namens Woodward und Bernstein, das gesamte Ausmaß der schmutzigen Tricks offenbar wurde, mit dem Nixons Wahlkampfhelfer operiert hatten. Während Nixon wegen der Watergate-Affaire am Ende zurücktreten mußte, macht James Baker weiter Wahlkampf. Derzeit macht in Washington ein Gerücht die Runde, das, falls es sich bestätigt, die Kampagne des Vize-Präsidenten noch erheblich ins Trudeln bringen könnte. Danach hat die Reagan -Wahlmannschaft 1980 bereits Kontakte zum Iran geknüpft und die Mullahs durch erhebliche Versprechungen dazu gebracht, die in der US-Botschaft in Teheran festgehaltenen Geiseln erst nach den Wahlen freizulassen. Damit war Carters Niederlage besiegelt.

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