piwik no script img

Schlagstock-Tanz vor Deutscher Oper

■ Beklemmendes Deja-vu in der Krumme Straße: Wie vor 21 Jahren prügelte die Polizei vor der Deutschen Oper DemonstrantInnen auseinander

Die Szene erinnerte an Erlebtes: Mächtige der Welt in Damenbegleitung fahren auf der einen Straßenseite vor, Demonstranten protestieren von der anderen Seite lautstark gegen mörderische Herrschaftsmethoden, dazwischen Absperrungsgitter und von Minute zu Minute mehr Polizei im Kampfanzug. Wieder wird „Die Zauberflöte“ gegeben. IWF und Weltbank haben den Kongreßzirkus am Montag abend zum Kunstgenuß geladen. Über die Motive, bis auf das Geschehen auf der Opernbühne Parallelen zum Schahbesuch am 2.Juni 1967 in Berlin zu produzieren, darf spekuliert werden.

Zwischen 19 und 20 Uhr zeigte die Polizei jedenfalls, wie wenig sie in über 20 Jahren gelernt hat. Ohne jede Not will heißen etwa der Gefährdung der hochgestellten Kamarilla durch auch nur einen zu nahe kommenden demonstrierenden Menschen oder auch irgendein Wurfgeschoß - wird der Platz vor der Oper unter Schlagstockeinsatz geräumt.

Die Chronologie der Polizei-Eskalation: Ab 18.30 Uhr sammeln sich Protestierende. Es wird getrommelt und immer, wenn der bekannte Schauwagen mit dem Geldschwein auf dem Dach vorbeifährt, kommt Jubel auf; wenn in konfuser Reihe neue Polizeiketten anmarschieren, gibt es Pfiffe. Um 19.10 Uhr wird die Bismarckstraße gesperrt, um 19.20 Uhr niemand mehr ohne Presse- oder IWF-Ausweis aus den U-Bahn-Eingängen gelassen. Versprengte DemonstrantInnen vagabundieren zwischen schaulustigen Opernbesuchern und den Polizeiketten, werden schließlich abgedrängt. Ab 19.25 Uhr beginnt die Polizei, die DemonstrantInnen auf den Bereich der Krumme Straße gegenüber der Oper zusammenzudrängen, „Leberwurst“ heißt die Taktik. Es gibt einzelne Knüppeleien.

Dann spricht die Polizei im Minutentakt: Dreimal kommt die Aufforderung, sich über die Krumme Straße zurückzuziehen, wenn nicht, werde der Schlagstock eingesetzt. Nach Grund und Verhältnismäßigkeit gefragt, erklärt Polizeisprecher Schulz um 19.34 Uhr, „noch wird ja nicht geräumt“, als der Einsatz beginnt. Während die DemonstrantInnen über Parkbänke und Rosenbeete fallen, von Schilden und Schlagstöcken vorwärtsgestoßen werden, schiebt Schulz als Erklärung nach: „Die Veranstaltung ist nicht genehmigt.“ Um 19.45 Uhr ist der Platz vor der Oper geräumt.

Von Einmündungen der nächsten Nebenstraßen sind weiter Proteste zu hören. Vor der Oper fährt immer mehr Polizei auf, zwei Wasserwerfer rollen auf die leere Straße. In der Krumme Straße stehen sich an einem Erdgeschoß-Parkplatz DemonstrantInnen und Polizei gegenüber - an einer Stelle, wo wir genau diese Konfrontation nie wieder sehen wollten. Frauen und Männer, die ich frage, ob sie wissen, wo sie hier sind, haben keine Ahnung. Der Fünfte wird ungeduldig, ich sei der dritte „Pressefritze“ mit dem Thema, also raus mit der Sprache. Bitte sehr: Hier wurde am 2.Juni 1967 der Student Benno Ohnesorg von dem Polizisten Karl-Heinz Kurras bei der Polizeihatz auf Anti-Schah-Demonstranten erschossen.

Georgia Tornow

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen