: Schüsse und Verletzte bei VW Mexiko
VW-ArbeiterInnen fordern die Ablösung des Generalsekretärs des „VW-Arbeiter Syndikats“ / Vorwurf: Kollaboration mit der Geschäftsleitung bei Massenentlassungen / Polizei geht gegen Protestierende vor / Ein Arbeiter durch Schüsse schwer verletzt ■ Aus Puebla Reimar Paul
Nach zweitägigem „wildem“ Streik, massiven Auseinandersetzungen zwischen Arbeitern und Polizisten, Autobahn-Bloackaden und einer Schießerei, bei der ein Arbeiter schwer verletzt wurde, war die Lage in der mexikanischen VW-Dependance in Puebla am Dienstag nachmittag äußerst gespannt. Hintergrund der Auseinandersetzungen in dem Werk sind innergewerkschaftliche Konflikte. Eine starke Dissidentenfraktion, die von der Mehrheit der organisierten Belegschaft unterstützt wird, wirft dem Generalsekretär des unabhängigen VW-Arbeiter-Syndikats, Rodolfo Contreras Duran, Kollaboration mit der Firmenleitung bei den jüngsten Massenentlassungen vor, von denen mehr als 1.200 Beschäftigte betroffen waren.
Am Sonntag nachmittag hatten 5.000 Arbeiter bei einer Demonstration in der Innenstadt von Puebla eine „unbefristete Protestversammlung“ vor den Werkstoren mit Beginn der Montagsfrühschicht beschlossen. Ihre Forderung: die Ablösung von Duran als Gewerkschaftsgeneralsekretär, sofortiger Stopp der Entlassungen und Abzug der Polizei vom Werksgelände. In Erwartung möglicher Unruhen hatte die Firmenleitung bereits Ende letzter Woche Ordnungskräfte angefordert.
An der Kundgebung vor dem Werk beteiligten sich den ganzen Tag über mehrere tausend Menschen, unter ihnen auch Familienangehörige von VW-Arbeitern. Mehrfach kam es zu Rangeleien mit Kollegen und mit der Polizei, die dem Aufruf der Funktionärsgruppe um Duran zur Arbeit folgen wollten.
In einer unübersichtlichen Situation - auch die Augenzeugenberichte widersprechen sich - wurde der 25jährige Arbeiter Octavio Villegas Flores durch drei Schüsse schwer verletzt. Redner auf der Streikversammlung machten dafür die „Duran-Fraktion“ verantwortlich.
Am Dienstag vormittag eskalierte die Situation weiter, als mehrere hundert Arbeiter die an der Fabrik vorbeiführende Schnellstraße nach Mexico-Stadt für drei Stunden besetzten. Bei der Räumung der Straßenblockade durch die Polizei wurden mindestens sechs Menschen durch Schlagstöcke, Hundebisse und Steinwürfe verletzt.
Bis zum Nachmittag war die Arbeit bei VW trotz anhaltender Bedrohung durch starke Polizeieinheiten noch nicht wieder aufgenommen. Auf einer Pressekonferenz bezifferte die Firmenleitung die durch den „wilden Streik“ entstehenden täglichen Verluste auf umgerechnet 700.000 Mark.
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