: Fischsterben in der Ostsee
■ Überdüngung läßt Fische und andere Meerestiere zu Zehntausenden sterben / Umweltminister fordert beschleunigte Maßnahmen / Biologische Klärstufen eines Kieler Klärwerks zerstört
Aus Kiel Jürgen Oetting
In zwei flachen Buchten der schleswig-holsteinischen Ostseeküste sind nahezu alle Meerestiere an Sauerstoffmangel und der Giftwirkung von Schwefelwasserstoffen gestorben. Die Badestrände der Eckernförde und der Neustädter Bucht sind mit Zehntausenden von Fischkadavern übersät. Das Meeressterben traf alle heimischen Fischarten wie Aalmutter, Scholle, Flunder, Dorsch, Steinbutt, Kliesche'Sandaal und Seezunge. Aber auch Meeresgetier, das als widerstandsfähiger gilt, blieb nicht verschont: Strandkrabben, Garnelen und Bodenwürmer.
Die erneute - und doch schon fast alltägliche Öko -Katastrophe - ist auf die Überdüngung des Ostseewassers zurückzuführen. In der Nähe des Meeresbodens hatte sich sauerstoffarmes Wasser mit Schwefelwasserstoffen gemischt. Bei dem stürmischen Wind der letzten Tage strömte das Wasser aus den Tiefzonen der Ostsee in die Oberflächenregion der Flachbuchten und tötete dort fast alles tierische Leben ab. Das sauerstoffreiche Oberflächenwasser war gleichzeitig durch ablandige Winde auf das offene Meer hinausgedrängt worden.
Nach Einschätzung des schleswig-holsteinischen SPD -Umweltministers Bernt Heydemann stammt die Überdüngung der Ostsee aus Kläranlagen ohne chemische Reinigungsstufe, von landwirtschaftlich genutzten Flächen, aus Fließgewässern und aus der Luft. Durch den hohen Eintrag von Nährstoffen komme es zur Massenvermehrung winziger Algen, die nach dem Absterben unter Sauerstoffverbrauch von Bakterien zersetzt würden. Daraufhin bilde sich Faulschlamm und Schwefelwasserstoff.
Maßnahmen zur Verminderung des Nährstoffeintrags in das Meer müßten nun ausgedehnt und beschleunigt werden, forderte Heydemann. Doch zur Zeit geht die Tendenz in eine entgegengesetzte Richtung. Seit zehn Tagen fließen täglich mehr als 60.000 Kubikmeter ungeklärter Abwässer aus dem Kieler Klärwerk Bülk in die Ostsee. Durch Einleitung großer Mengen gitfiger Stoffe waren die biologischen Klärstufen der Bülker Anlage Anfang der vorigen Woche restlos abgetötet und damit wirkungslos geworden. In Kiel wird nach den Verursachern gefahndet, derweil fließen die Abwässer weiter.
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