Ein hoher Wall durch Hemelingen

■ Pläne für den „Daimler-Tunnel“ vorgestellt / Beirat will unterirdisches Bauwerk, Behörde favorisiert überirdische Röhre / Röhre soll um 50 Millionen Mark billiger werden / Galgenhumor der Anwohner

In einem Dilemma sieht der oberste Beamte im Stadtplanungsamt, Hans-Otto Schulte, seine Behörde: „Wir stehen zwischen den Ansprüchen der Bevölkerung und der schlechten Haushaltslage.“ Was auf allen Ebenen der Bremer Politik alltäglich ist, kann in ein paar Jahren für die Hemelinger Bevölkerung auf eine ganz besondere Art und Weise sichtbar werden. Dann nämlich, wenn ein gut sechs Meter hoher Wall den Stadtteil in zwei verschiedene Bezirke trennt. Das zumindest befürchten die HemelingerInnen, seit am Donnerstag abend auf einer Beiratssitzung die Pläne für den sogenannten „Daimler-Tunnel“ vorgestellt wurden.

Gegen die immer chaotischere Verkehrssituation im Stadtteil wird den Hemelingern seit zehn Jahren das Allheilmittel Tunnel versprochen. Zwischen der Sebaldsbrücker Heerstraße und dem Autobahnzubringer Hemelingen soll das 1.800 Meter lange Bauwerk Entlastung für die Wohngebiete bringen. Doch am Donnerstag abend konnten die zahlreich erschienenen Bürger zur Kenntnis nehmen, daß die Definition des SPD -Beiratssprechers Christian Weber nicht unbedingt stimmt: „Ein Tunnel ist, wenn es dunkel ist,“ hatte der gesagt. In den Varianten des Planungsbüros Ollbrisch kann ein Tunnel aber auch etwas völlig anderes sein.

Lediglich bei der letzten der vier Alternativen, der A/B -Variante, sieht Ollbrischs Planung einen durchgängigen Tunnel vor. Zwei Pläne sehen vor, daß der Tunnel teilweise als offenes Trogbauwerk gebaut wird. Und die Variante B bietet ganz besonderes. Auf der 0-Ebene, also zu

ebener Erde, soll eine Straße gebauut werden, die dann zwei Wände und ein Dach erhält, „Einhäusung“ sagt der Fachmann dazu. Das Betonwerk soll dann in Erde verpackt werden und Übergänge, den Besuch beim Nachbarn ermöglichen.

Eine wesentliche Planungsvorgabe hatte das Ingenieurbüro zu berücksichtigen, und deshalb muß auch der überirdische Tunnel an einer Stelle abgesenkt werden. Dort, wo das jetzige Daimler-Werksgelände dem künftigen Werksgelände auf dem Bundesbahnausbesserungswerk am nächsten kommt, soll, so die Vorgabe, Daimler eine ebenerdige Werksstraße bauen können. Also, Kosten hin, Kosten her, sieht der Plan hier einen richtigen Tunnel vor.

Denn während für einen unterirdischen Tunnel etwa 200 Millionen Mark veranschlagt werden, kostet die Einhäusung 50 Millionen Mark weniger. Zu diesen Baukosten kommen noch einmal etwa 100 Millionen Mark für Grunderwerb und die Verlegung von Betrieben.

Die ZuhörerInnen bewiesen an diesem abend Humor: „Ski und Rodel gut“, kommentierten sie den Wall durch ihren Stadtteil. Doch das Lachen könnte ihnen bald vergehen: Zwar beschloß der Beirat, daß lediglich die Variante A/B vertretbar sei, doch die Pläne der Behörde laufen längst in eine andere Richtung. Senatsdirektor Schulte sagte gestern, die Behörde habe sich noch nicht festgelegt, im Amt für Straßen-und Brückenbau hörte sich das jedoch anders an: „Die Einhäusung wird bevorzugt. Da gibt es auch politische Vorgaben“, sagte ein

Planer.

Wer auch bei dem sich anbahnenden Konflikt zwischen Beirat und Stadtplanungsamt letzlich die Oberhand behält, bis die Pläne von Papier zu Beton geworden sind, werden noch mindestens sieben Jahre vergehen. Und wenn GrundstückseigentümerInnen sich weigern, ihren Boden zu verkaufen, weil sie mit den Bauplänen nicht einverstanden sind, werden langwierige Entei

gnungsverfahren notwenig. Dann, so Ollbrisch vor dem Beirat, „kann das auch noch viel länger dauern.“

Bis dahin droht den Hemelingern weiteres Ungemach, wenn sich Behauptungen der grünen Bürgerschaftsabgeordneten Irmgard Jahncke bestätigen. Jahncke hatte auf der Beiratssitzung gesagt, der Vorstand von Daimler Benz habe bei Bürgermeister Wedemeier eine Option für Flächen

in der Osterholzer Feldmark angemeldet. In der Wirtschaftsbehörde sei man derzeit dabei, das jezige Kleingartengebiet in den Katalog zu erschließender Gewerbegebiete aufzunehmen. Zwischen Stadtplanungsamt und Wirtschaftsressort sei es deswegen schon zum Streit gekommen. Ein Sprecher des Wirtschaftssenators bezeichnete die Behauptung von Frau Jahncke als „reine Spekulation“.

hbk