: Ich bin kein olympischer Don Quijote
■ Gespräch mit Willi Daume, 75, Präsident des Nationalen Olympischen Komitees und Mitglied des IOC
taz: Herr Daume, Ihre Rührung war unübersehbar, als Sie Steffi Graf die Goldmedaille umgehängt haben. Was haben Sie ihr denn ins Ohr geflüstert?
Willi Daume (lächelt verschmitzt): Du bist die Allerliebste und Allerbeste.
Tennis bei Olympia ist ja auch Ihr Kind, ein problematisches allerdings.
Das Tennisturnier war für mich ein Erfolg auf der ganzen Linie. Die Aktiven haben sich fantastisch integriert, aber die Sportart befindet sich noch im Experimentierstadium. Sie braucht noch die Unterstützung der Medien.
Welche Millionäre werden als nächstes Olympia bereichern?
Am 4. April 1989 wird in München bei einem Sonderkongreß des internationalen Verbandes entschieden, ob die Basketball -Profis an den Olympischen Spielen teilnehmen können. Bisher ist das immer an den Amerikanern gescheitert. Ich kann mir weiter vorstellen, daß auch die Berufsradfahrer kommen. Sie sind das Defizit gegenüber dem Osten leid.
Damit haben Sie weitere Doping-Fälle programmiert.
Ein so erfahrener Mann wie der ehemalige Bundestrainer Gustav Kilian hat mir versichert, daß sich dort die Zustände gebessert haben.
Glauben Sie wirklich, daß Sie bei Sechstagerennen unangemeldete Dopingkontrollen durchführen können?
Wenn der Verband olympisch werden will, muß er unsere Regeln akzeptieren. So etwas wie Sechstagerennen wird es nie geben, genausowenig wie Patentlösungen und Schnellgerichte.
Wo ist bei Willi Daume das Ende der Fahnenstange?
Die Grenze ziehe ich bei gewaltigen Schlägern wie Mike Tyson. Das hat mit Amateurboxen nichts zu tun. Ich glaube auch nicht, daß Formel-1-Rennen kommen. Sportarten, bei denen die Technik so übergeordnet ist, haben vorläufig keine Chance.
Unter diesen Prämissen könnten viele Sportarten Ansprüche stellen.
Ja, auf der Warteliste stehen 15 Sportarten. Mein Plan ist: Die klassischen Sportarten sollten immer dabei sein, die anderen alle acht Jahre. Ich bin ganz und gar gegen ein noch umfangreicheres Programm, noch mehr Teilnehmer und noch mehr Tage. Der Osten hätte am liebsten acht Wochen, das sei demokratischer.
IOC-Präsident Juan Antonio Samaranch hat die Ausweitung durch den olympischen Zweijahreswechsel bereits von 1992 an beschlossen.
Das ist eine Fehlspekulation. Es wird zu einer Ermüdung auf dem Markt führen. Dieses Experiment wird nicht aufgehen.
Dahinter steckt doch die finanzielle Gier des IOC.
Ich werde das IOC in der Öffentlichkeit nicht kritisieren, aber ganz sicher sind solche Überlegungen mit im Spiel.
Uns scheint Willi Daume auch nicht mehr ganz der Alte zu sein.
Olympische Spiele wie sie heute sind wären für mich tatsächlich vor fünzehn Jahren unvorstellbar gewesen. Aber die ganze Welt hat sich geändert. So wie es jetzt ist, halte ich für besser, als alles verdeckt zu machen. Es ist doch auch ein Ost-West-Problem. Alles, was vom Staat kam, war erlaubt. Unterstützung aus der freien Wirtschaft war verboten. Deshalb habe ich mich über Samaranch gefreut, der gesagt hat: Die Besten der Welt müssen unter möglichst gleichen Bedingungen starten.
Den Einfluß der Wirtschaft fürchten Sie nicht?
Ja, ja, das war ein alter 68er Slogan: Sport ist Ausnutzung der Jugend durch das Großkapital. Das ist Unsinn. Nicht einmal das Fernsehen will den Sport unter seine Fittiche bringen. Wir müssen unseren Sport zusammen mit der Wirtschaft aus dem Tief führen. Der Staat ist bei seiner Unterstützung am Ende angelangt.
Die Sportler geraten da nicht in neue Abhängigkeiten?
Das sehe ich nicht. Es hätte eine gute Wirkung, wenn Sportler wissen, daß sie unter dem Schutz einer großen Firma sind. Die könnten sich die besten ausländischen Trainer leisten, 20.000 sind doch für die ein Klacks.
Geht Willi Daume jetzt Sponsoren aquirieren?
Ach nein, so nicht. Aber es gibt nicht viele, denen sich die Türen öffnen.
War Seoul ein gutes Beispiel für die enge Zusammenarbeit von Wirtschaft und Sport?
Ich hätte manches gerne etwas kleiner gehabt. Aber sie haben ja Geld, sie sind eben neureich. Wir haben sie immer gewarnt. Es besteht die Gefahr, das viele Sportanlagen vergammeln, aber den Südkoreanern ging der Erfolg über alles und die ungeliebten Brüder im Norden sehen das jetzt mit großem Neid.
Berthold Beitz hat einmal gesagt, die Olympischen Spiele seien nicht dazu da, der Demokratie auf die Beine zu helfen.
Das stimmt, aber es ist ein positiver Nebeneffekt. Diese Spiele haben den Demokratisierungsprozeß in Südkorea gefördert.
Und was wird nach den Spielen?
Erfahrene Politiker machen sich darüber wirklich Sorgen. Ich kann mir einen Rückschritt jedoch nicht vorstellen, das kann sich die Regierung nicht leisten.
Neben diesem positiven Aspekt zeigt sich wie schon in Los Angeles auch hier unverhüllter Chauvinismus. Dagegen haben Sie sich früher gewehrt.
Für einen Internationalismus, der zum Beispiel auf nationale Symbole verzichtet, bekommen Sie im IOC heute keine Mehrheit mehr. Am wenigsten vom Osten und der 3. Welt. Sie haben doch gesehen, daß hier bereits nach drei Wettbewerben ein Medaillenspiegel in den Zeitungen stand.
Früher haben Sie für diesen Internationalismus gekämpft.
Ich werde keine derartigen Versuche mehr unternehmen. Sie haben keine Chance. Ich bin nicht der Don Quijote der olympischen Bewegung.
Interview: Herr Thömmes
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