SPD will Rechnung nicht zahlen

■ Parteitag der Sozialdemokraten in Schleswig-Holstein / Eine Partei feiert sich selbst

Lübeck (taz) - Unordentlich begann der außerordentliche Parteitag der schleswig-holsteinischen Sozialdemokraten am Sonnabend in Lübeck: Schon nach 20 Minuten war der Kaffee zum ersten Mal ausverkauft, und erst nach 45 Minuten funktionierten die Mikrofone.

Der scheidende Parteigeschäftsführer Klaus Rave - er soll demnächst im Energieministerium den Ausstieg ankurbeln verkündete nach diesen Pannen, man werde dem Kurhaus-Hotel von Lübeck-Travemünde die Rechnung kürzen. Und der Landesvorsitzende Gerd Walter sorgte sich: „Eine Partei, die ein Land regieren will, muß doch wenigstens eine Telefonanlage - hätte ich jetzt fast gesagt - also eine Mikrofonanlage zum Funktionieren bringen.“ Ein NDR -Tontechniker half über die größten Klippen hinweg.

Drei Themen hatte sich dieser erste Parteitag unter der SPD -Landesregierung vorgenommen: Zwischenbilanz des Kabinetts Engholm, Abwehr von gentechnologischer Menschenzüchtung, Vorbereitung der Europawahlen. Als Ergebnis hatte sich Gerd Walter vorher gewünscht: die SPD soll zeigen, daß sie „Programmpartei“ bleibt und kein Mehrheitsbeschaffungsverein wird.

Der Diskussionseifer der Delegierten war jedoch bescheiden gering. Das Bedürfnis, den Wahlsieger und damit auch sich selbst zu feiern, stand im Vordergrund. Parteichef Walter versprach, daß man in Schleswig-Holstein nicht die „Fehler der Ära Schmidt“ - die Parteiziele auf Regierungsmaß zurechtzuschnitzen - wiederholen werde. Neben dem Ausstieg aus der Atomenergie innerhalb der nächsten acht Jahre wird sich das bereits im Frühjahr 1989 erweisen müssen. Dann nämlich findet wieder die Nato-Kommandoübung Wintex/Cimex statt, und diesmal soll sie ohne Beteiligung der schleswig -holsteinischen Landesbehörden ablaufen: Partei und Regierung lehnen zwar nicht Manöver generell, aber diese Militärübung ab, weil man „nicht üben will, wie man Flüchtlingsströme abwehrt“. Kritische Stimmen, die der Regierung vorwarfen, sie packe die Demokratisierung von Schulen und Universitäten zu langsam an, blieben in der Minderheit. Einige Jusos, einige Lehrer - das war's dann.

Jörg Feldner