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Mit Vollgas durch die Luftschichten

Widrige Winde und genaue Zielfahrten bei der Weltmeisterschaft im Gasballonfahren  ■  Aus Augsburg Url. C. Hecker

Es ist 5 Uhr 30. In der Ballonhalle sitzen die Mannschaften dichtgedrängt zum Briefing, bei dem noch alle wichtigen Einzelheiten vor dem Start und die Aufgaben an diesem zweiten Wettkampftag besprochen werden. 17 Teams aus ganz Europa, den USA und Japan haben sich hier in Augsburg zu den Weltmeisterschaften im Gasballonfahren versammelt, die nur alle zwei Jahre an wechselnden Orten rund um den Globus ausgetragen werden. Nur ein schmales rotes Band im Osten hellt den Himmel auf, sonst herrscht noch Dunkelheit. 17 Ballone stehen in der ersten Morgendämmerung auf freiem Feld und warten auf den Start.

Auch heute hat sich trotz des internationalen Ranges der Veranstaltung eine vergleichsweise kleine Gemeinde eingefunden, um das Ereignis in aller Frühe mitzuerleben. Die „Ballöner“ sind unter sich. Gegen sechs Uhr herrscht am Start hektische Betriebsamkeit. Längst sind alle Gasballone gefüllt, die Sandsäcke an Bord und die Leinen gestrafft, doch bis zum Startschuß bleibt noch eine Menge zu tun. Die Höhenmesser müssen eingestellt, die Höhenschreiber versiegelt, die Leinen überprüft und der Seilzug am Ventil getestet werden. Proviant und Karten werden an Bord verstaut und am Kartentisch montiert, die Sandsäcke sorgfältig verteilt und der gesamte Ballon samt Mannschaft und Zuladung gewogen. Das Gewicht muß so sein, daß der Ballon mit einer Hand in die Luft gehoben werden kann. Die Helfer haben alle Hände voll zu tun, um die Mannschaften in die richtige Startposition einzuweisen, bis die Feuerwehr Punkt halbsieben die Sirene aufheulen läßt - das Startsignal.

Für die Crew beginnt nun der Löwenanteil der Arbeit. Mit Hilfe von Beobachtungen, Sandsäcken und dem genau kalkulierten Zug am Ventil gilt es immer wieder neu, die Luftschicht auszumachen, in der der Wind aus der richtigen Richtung kommt. Von allen drei deutschen Teams am besten gelang das Spiel mit dem Wind dem Münsteraner Gustav Vornbäumen und seinem Co-Piloten Bernd Sundermeier, die nach dem dritten Wettkampftag überraschend Vizeweltmeister wurden. Sie lagen nur knapp hinter dem frischgekürten Weltmeister, dem österreichischen Team unter der Führung von Josef Starkbaum. Der Vizeweltmeister im Heißluftballonfahren von 1987 und Flugkapitän von „Austrian Airlines“ löste die Titelverteidiger aus der Schweiz ab.

Der Münsteraner Volker Kuike war mit 27 Jahren der Junior der diesjährigen Wettkämpfe und lag mit seinem Co-Piloten Klaus Marienfeld immerhin noch auf Platz acht, während sich die Deutsche Meisterin, die 67jährige Realschulrektorin Helma Sjuts, mit ihrem Co-Piloten Jojo Maes nicht behaupten konnte und sich mit dem fünfzehnten Platz begnügen mußte.

Eine Steuervorrichtung gibt es auch heute noch nicht. Abweichungen von der Hauptwindrichtung sind dennoch in Grenzen möglich, verschiedene Luftschichten und sogar die Erdrotation müssen einkalkuliert werden. Auch daß die Wettervorhersagen nicht immer halten, was sie versprechen, mußten die Ballöner an diesem zweiten Wettkampftag erfahren. Bei schönstem Wetter war die ursprünglich für zehn Stunden angesetzte Fahrt bereits nach zwei Stunden beendet. Der Wind hatte gedreht und trieb die Montgolfieren geradewegs auf militätrisches Sperrgebiet, einen Bombenabwurfplatz der Nato, zu, der nicht umfahren werden konnte.

Während der drei Wettkampftage mußten Zielpunkte angefahren und Marken abgelegt werden, Weit- und Zielfahrten wurden kombiniert und mußten in einem vorgegebenen Zeitlimit bewältigt werden. Wie genau die Methode mit Karte, Höhenmesser und Windbeobachtung sein kann, bewiesen die Ballöner bereits am ersten Wettkampftag. Auf eine Distanz von 45 Kilometern wurde ein Markierungspunkt auf siebzehn Meter genau angefahren. Schummeln ausgeschlossen, denn der Schiedsrichter ist bei jeder Mannschaft an Bord.

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