„Das mit dem Kredit hab‘ ich nie verstanden“

Regensburg trauert um Franz Josef Strauß: Schlangestehen für einen Blick auf die Leiche des toten Landesvaters Bei bayerischem Bier wird im Hofbräuhaus die Nachfolge geklärt / Die Strauß-Gegner bleiben lieber stumm  ■  Aus Regensburg Wolfgang Gast

„Wir, die Sudetendeutschen, sind seine Patenkinder. Deshalb wollen wir ihm hier die letzte Ehre erweisen.“ Christine Schmidt, CSU-Stadträtin aus Regensburg, verweist auf die fast 50köpfige Gruppe. In den Trachten ihrer Landmannschaften, den Egerländern, den Karlsbadern und den Böhmerwäldlern, sind sie erschienen. „Wir haben einen der besten Freunde verloren, einen, der uns immer unterstützt hat.“ Um am aufgebahrten Sarg des Ministerpräsidenten vorbeizuziehen, muß sie nun mindestens eine Stunde anstehen.

Vor den Toren der Kapelle warten schon über 1.000 Trauergäste - zum Teil mit versteinerten Gesichtern, zum Teil mit Tränen in den Augen. In der Kapelle angelangt, bleibt ihnen dann nicht viel Zeit, Abschied vom Verstorbenen zu nehmen. Bedächtig, aber energisch werden etwa 200 Besucher in der Stunde von den Mitarbeitern der Staatskanzlei am aufgebahrten Leichnam vorbeigeführt. Der Sarg ist geschlossen und mit einer Fahne in den weiß-blauen Landesfarben verhängt. Auf beiden Seiten halten Polizisten mit unbewegter Miene Ehrenwache. Wie die Kollegen draußen, die den Ansturm der Trauernden bewältigen müssen, tragen sie am linken Arm eine schwarze Trauerbinde.

Um des Verkehrschaos Herr zu werden, hat die Stadtverwaltung eigens einen Zubringerdienst eingerichtet. Die Autofahrer werden schon über den Verkehrsfunk aufgefordert, ihr Fahrzeug am Volksfestplatz abzustellen und den Pendelbus zu benutzen.

Am Abend wird der Leichnam nach München in den Liebfrauendom überführt. Im engsten Kreis wird ihm vorher in der Aussegnungshalle der „Reisesegen aus dem Laben heraus“ (Oberkirchenrat Preise) erteilt. Wie bei einem Staatsempfang wird der Autokorso von 20 Polizeimotorrädern flankiert und darf auf der Autobahn nicht überholt werden.

Ganz Regensburg steht im Zeichen der Trauer. „Ein sehr schwerer Verlust ist das“, sagt ein dicker, vollbärtiger Mann im Hofbräuhaus, im Zentrum der verwinkelten historischen Altstadt. Seine Frau und drei weitere Männer am Tisch stimmen ein. In der Gaststätte hallt es wie in einer Bahnhofshalle, an allen Tischen wird über den Tod des Regensburger Ehrenbürgers Strauß geredet. „Das war schon ein Richtiger, aber das mit dem Milliardenkredit hab‘ ich nie verstanden“, resümiert einer am Stamtisch nebenan. Die Stammtischbrüder verfallen in eine ebenso lebhafte wie laute Diskussion über einen möglichen Strauß-Nachfolger.

Einige Tische weiter ist das Gespräch moderater, der Alkoholspiegel niedriger. „Wenn der früher aufgehört hätte, wenn er weniger gearbeitet hätte, dann täte er heute noch leben.“ Der Inhaber eines Schreinereibetriebes schiebt hinterher, „der hat aber gar nicht aufhören können, der war ja zu 1.000 Prozent Politiker“. Das hohe Lied auf den Verstorbenen wird an allen Tischen angestimmt. Keiner, der sich nicht über sein Dahinscheiden betroffen zeigt. „Ein richtiger Quertreiber war das“, meint ein Zigarrenraucher auf dem Stuhl neben dem Schreiner, „aber sowas braucht's halt in der Politik“. Und wissend nickt er mit dem Kopf: „Ein solcher kommt nimmer nach.“ Einigkeit herrscht darüber, daß es die CSU ohne den Parteivorsitzenden künftig schwerer haben wird. „Der hat alles zusammengehalten“ und „wie es jetzt weitergeht, da muß man ein großes Fragezeichen machen“.

Als besonderes Verdienst wird dem gerade Verstorbenen angerechnet, daß er die Bayerischen „Interessen in der Bonner Runde immer vehement vertreten hat“. „Auf den Tisch hat er gehauen, wenn's sein mußte.“ Nur wenige Häuser weiter verkauft ein Galerist selbstgeschmiedeten Schmuck. „Natürlich bin ich tief erschüttert“, sagt er, um mit einem kleinen Lachen hinzufügen, „es wäre auch gefährlich, etwas anders zu sagen“.