: Bombenjob für Blindgänger
■ Bomben in Bremen: Sprengmeister Harry Warrelmann erzählte in der HfT-Mensa über „Abenteuer ohne Drogen“ / Reichlich Arbeit bis zur Pensionierung
Harry Warrelmann hat einen bombensicheren, aber lebensgefährlichen Job. Noch immer liegen in Bremen tausende von Bombenblindgängern, die ihn und folgende Generationen von Sprengmeistern vor der Arbeitslosigkeit bewahren werden. Am Dienstag abend hatte die „Gesellschaft für Jugendhilfe und Kriminalitätsvorbeugung“ Warrelmann in die HfT-Mensa eingeladen, um aus seinem Sprengmeisterleben zu erzählen.
Überall in Bremen, vor allem bei ehemaligen Flakstellungen, in Industrieansiedlungsgebieten und auf dem Flughafengelände, werden jährlich 30 bis 70 Blindgänger geborgen. 1945 warfen die Engländer 46.000 Bomben
über Bremen ab, die Amis die dreifache Menge. Ca. jede sechste versagte. Die Aufräumungsarbeiten wurden zunächst von Kriegsgefangenen durchgeführt, die so ihr Strafmaß mindern konnten. Doch die Kräfte reichten nicht aus, und es fehlten Unterlagen über die Bomben.
1948 entschärfte das Bremer Sprengkommando, damals mit 46 Mann, täglich 51 Blindgänger. Als sich die Unfälle häuften, wurde 1949 ein Arbeitskreis der Sprengkommandos gegründet. Erfahrungen, Kenntnisse und Zeichnungen von Bomben und Zündern wurden ausgetauscht. Schon nach drei Jahren gab es bei der „Kampfmittelbeseitigung“ keine „Verlustquote“ mehr. Trotzdem hat kein Sprengmeister bisher das Pensionsalter erreicht. Spätestens im Alter von 56-57 Jahren sind alle auf Grund der psychischen Belastung ihrer Arbeit gestorben.
Täglich hat das Bremer Sprengkommando - heute hat es nur noch 5 Mitarbeiter - Einsätze. Hinweise aus der Bevölkerung gibt es besonders zur Sommerzeit, wenn die Kleingärtner ihre Gärten umgraben. Aber: „Einige wollen auch nur ihren Garten umgraben lassen“, sagt Harry Warrelmann. Außerdem kann jeder, der bauen will, einen Antrag stellen, daß sein Grundstück abgesucht wird.
Mit Hilfe von Luftbildern, die
der Bremer Sprengmeister und Polizeihauptkommissar nach langen Verhandlungen mit den Amerikanern und Engländern erhalten hat, wird systematisch nach Bombenblindgängern gesucht. Anhand dieser Luftaufnahmen, die von den Feindtruppen nach Fliegereinsätzen auf Kontrollflügen gemacht wurden, läßt sich erkennen, wo Blindgänger liegen. Nach Anfertigung von Karten und weiträumiger Absperrung der Gebiete, wird dann vor Ort mit feinsten Meßgeräten nach den Blindgängern gesucht. Mit Baggern und Schaufeln werden sie in Tiefen bis zu 6 Meter freigeschaufelt. Dann kommt die einsame Stunde des Harry Warrelmann: er muß den Zünder ent
schärfen.
Als Abenteuer bezeichnet er seine Arbeit trotzdem nicht, die er ausnutzen könnte, um am nächsten Tag in der Zeitung zu stehen. „Unsere Arbeit dient höchstens zur Image-Pflege für die Polizei, um das gestörte Verhältnis zur Bevölkerung wieder aufzubessern.“
Genug Arbeit bis zu seiner Pensionierung, wenn er sie denn erreicht, wird Harry Warrelmann noch haben, es gebe noch genug Bombenblindgänger und es bestehe immer die Gefahr der Selbstdetonation. „Es gibt kein Bundesland, das seiner Bevölkerung die Kampfmittelfreiheit bescheinigen kann.“
Roswitha Bünjer
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