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Öko-Zentrum auf Daimlers Hofgut

Mit einem Ökologie-Zentrum wollen die Boxberger Bundschuh-Bauern auf der ehemals geplanten Daimler-Teststrecke Arbeitsplätze schaffen / Auch ein Augsburger Golfclub hat Interesse an dem Terrain  ■  Vom Boxberg Dietrich Willier

Entlang der Autobahn Stuttgart-Würzburg sterben die Bäume, eine lange Gerade ohne Grünstreifen bei Osterburken ist für unfriedlichen Flugverkehr vorbereitet. Seit Jahren ist die Abfahrt Richtung Boxberg in eine Richtung gesperrt. Die sanften Hügel hier sind schon ein wenig welk und bunt. Die Äcker riechen gepflügt und die Dörfer nach faulendem Trester. Es ist nicht mehr lang bis zum Winter in Badisch -Sibirien.

Das wird der zweite Winter nach der Entscheidung, daß nach zehnjährigem Streit zwischen ein paar Bauern, der baden -württembergischen Landesregierung und dem größten Rüstungs und Automobilkonzern der Republik eine Daimler-Testrecke in Boxberg nicht gebaut wird. Zwar denkt niemand daran, die vierzig Hektar böswillig gerodeten Wald wieder aufzuforsten, aber wenigstens blieb auch der Beton fort. Man zündet den widerständischen Boxberger Bauern das Haus nicht mehr an und schickt ihnen auch keine Morddrohungen mehr, das Auge des Bundschuh-Geschäftsführers hat längst wieder seine normale Farbe. So ein, zwei Generationen aber, glauben Bundschuh -Genossen, wird es wohl noch dauern, bis sich Teststrecken -Gegner und Befürworter wieder grüßen können.

Derweil verkommt das Land. Die 700 Hektar im Besitz des Stuttgarter Konzerns wurden seit Jahren jeweils nur kurzfristig kündbar verpachtet, niemand dachte an später, der Boden ist ausgelaugt, die Äcker ungepflegt und verkommen. Dem Seehof, dem ehemaligen Hofgut der Fürsten von Leibingen - vor 140 Jahren hatten die das Land verarmten Bauern abgeschwatzt, um es dann Daimler als Faustpfand zu überlassen - bröckelt der Putz, die Dächer sind undicht, das Fachwerk beginnt zu faulen.

Mit dem Siechtum der gebeutelten Gegend soll jetzt ein Ende gemacht werden. Am vergangenen Mittwoch luden die Bundschuh -Genossen zu Laugenbrezeln und Most, und legten ihr eigenes Konzept für die Daimler-Latifundien vor. Ein Golfplatz als Alternative, so ihr Geschäftsführer Hort Oellers, habe hier nichts zu suchen, ökologischer Landbau, dessen Verwertung und Vermarktung sei angesagt, ein komplettes Konzept zur Schaffung von 55 sinnvollen Arbeitsplätzen plus acht Lehrstellen wurde gleich mit vorgestellt. Mit der Unterstützung eines solchen Projekts, so die Autoren, könnte die baden-württembergische Landesregierung ein Signal setzen, ob sie zur längst überfälligen Förderung des ökologischen Landbaus und des ländlichen Raums bereit ist.

Erfahrung mit ökologischem Anbau, Verwertung und Vermarktung ihrer Produkte hat ein Teil der widerständischen Bauern schon seit Jahren. Im Unterschied zu anderen Bauern der Umgebung können Bundschuh-Genossen seit der Umstellung auf Öko-Landbau fast ausnahmslos von ihrer Produktion leben.

Nach dem zehnjährigem Widerstand, und letztlich erfolgreichem Rechtsstreit des Bundschuh muß die Landesregierung die Pläne wie Hohn empfinden, gerade weil sie vernünftig sind. Für sechs Millionen sollen von einer Beteiligungsgesellschaft 200Hektar Daimlerland wieder zurückgekauft werden - die Hälfte dessen, was der Konzern den Herren von Leibingen zahlte, aber mittlerweile so der Bundschuh, sei aus dem Industrieland ja auch wieder „billiges“ Ackerland geworden.

Im Seehof sollen, soweit das geht, neben Arbeitsplätzen zur landwirtschaftlichen Erzeugung, Metzgereien, eine Bäckerei, eine Safterei, Molkerei und Weberei, eine Kneipe und eine Bildungsstätte eingerichtet werden. Neben Landwirtschaft und Milchproduktion, sollen Schweine, Gänse und Schafe gehalten, ein Obst- und Kräutergarten eingerichtet werden. Kaufleute, Buchhalter, Handwerker und Lebensmitteltechnologen sorgen für Haus und Hof, Lebensmittelkontrolle, Verkauf und Verwaltung. Ein Umsatz von sieben Millionen, so errechneten die Planer, sei für die ersten Jahre drin. Und das bei menschlichen Arbeitsbedingungen, also 40-Stundenwoche, Urlaub, und einem Lohn, von dem andere Landwirte meist nur träumen.

Neben der Verarbeitung der eigenen Produktion soll Bauern der Umgebung bei der Umstellung auf Öko-Produktion und deren Vermarktung geholfen werden. In einem allerletzten Schritt, so die Planer, könnten Ferienwohnungen für Aktivurlauber eingerichtet werden. Wohnen soll im Seehof nur ein kleiner Teil der Beschäftigten, ein Inseldasein soll vermieden werden.

Doch bis es soweit kommt, fließt wohl in Baden-Württemberg der Neckar eher bergauf. Bereits im Sommer hatte man gehofft, daß Daimler sein Land hergibt. Die taten's nicht, dafür antichambrierte Landwirtschaftsminister Weiser noch vor einigen Wochen bei Bundschuh-Bauern, um sie umzustimmen. Ob die Verteilung des Daimler-Landes ohne Ansehen der Gesinnung stattfindet, ist eher unwahrscheinlich. Ob sich die Landsiedlung, die nach dem Rückkauf über die Vergabe entscheiden muß, nicht längst für einen Golfplatz entschieden hat, ist ungewiß. Und geht es nach dem zuständigen CDU-Landrat, dann „ist aber was los, wenn der Bundschuh den Seehof bekommt“. Es steht nicht rosig für das Öko-Projekt, denn Freunde haben sich die Bundschuh-Genossen in den vergangenen zehn Jahren höchstens außerhalb Boxbergs geschaffen.

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