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„Mehr als nur die Faust“

■ 26 neue „Schließer“ traten in den Bremer Justizvollzugsdienst ein / Warmer Willkommensgruß vom Senator / Personalrat: Engpässe dennoch nicht behoben

„Sie sind das Herzstück des Strafvollzugs“. Mit so warmen Worten begrüßte Justizsenator Volker Kröning am Montag vormittag 26 neue AssistentInnen im Justizvollzugsdienst im Oslebshausener Gefängnis. Die 26 Neuen beginnen dort eine zweijährige Ausbildung zu einem Beruf, der im Volksmund „Schließer“ heißt. Aber: Daß sie „Schließer“ seien, das sollten sie sich bloß nicht von Nachbarn oder früheren Kolle

gInnen einreden lassen, sagte Kröning: „Das denkt hier niemand mehr“.

Fast 300 junge Leute hatten sich um die 26 Ausbildungsplätze beworben, mittels einer Aufnahmeprüfung waren mehr als neun Zehntel herausgesiebt worden. Alle haben bereits einen anderen Beruf erlernt. Die 23jährige ehemalige Zahntechnikerin Birgit Kuhlmann ist eine von den sechs Frauen, die es geschafft haben. Schon ihr Vater ist im Justizvollzugsdienst und auch sie hat die Sicherheit der Beamtenlaufbahn gelockt. Ihren Dienst stellt sie sich so vor: „Nicht nur die Leute in die Zelle packen und aufpassen, daß sie nicht weglaufen. Wir sind ja auch Ansprechpartner für die Ge

fangenen. Wir müssen denen erzählen, wie es weitergeht“. Aber streng müsse sie auch sein, räumt sie ein. Denn: „Die sitzen ja nicht umsonst hier.“

Ihr oberster Vorgesetzter, Justizsenator Kröning sieht das ganz ähnlich. „Mehr als nur die Faust oder das Muskelpaket“ werde von den jungen Beamtenanwärtern verlangt. Nämlich der „ganze Mensch mit seiner Strenge, aber auch mit seinen menschlichen Gefühlen“.

Kröning mahnte die Neuen auch zur „Einordnung“: „Man kann hier nicht mit einer antiautoritären Einstellung durch die Gegend laufen“ und solle „ordentlich grüßen“. Bei dem 30jährigen ehemaligen Zeitsoldaten (Z 12)

Holger Gahnz war dieser Hinweis sicher unnötig. Schon bei der Bundeswehr habe er einen Zug von 40 Soldaten geführt, sagt er der taz. Da habe er das Durchsetzen gelernt, und das wolle er nun in seinen neuen Beruf umsetzen.

Zuletzt 1983 wurden Berufsanfänger in den Bremer Justizvollzugsdienst aufgenommen. Die fünfjährige Pause hat zu personellen Engpässen geführt, sagte Personalratsvorsitzender Walter Stelljes. Frust und Überlastung hätten dazu geführt, daß viele Kollegen sich aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig dienstuntauglich schreiben ließen. Mit den 26 Neuen wäre die Personalnot zwar nicht behoben, aber das wäre immerhin ein Trost. mw

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