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Bürgermeister ohne Volk

73 hessische Kommunen haben Widerspruch gegen Ergebnisse der Volkszählung eingelegt Statistisches Landesamt: keine Chance / Einwohnerzahlen nach Zählung drastisch gesunken  ■  Aus Frankfurt Heide Platen

Der Bürgermeister der Gemeinde Emstal im Landkreis Kassel ist sauer. Nach Auswertung der Volkszählung ist seine kleine Gemeinde um 22 Prozent der Bevölkerung ärmer geworden. Statt vorher 6.393 zählt sein Ort nun nur noch 5.202 EinwohnerInnen. Insgesamt 73 hessische Kommunen legten bis jetzt Widerspruch ein gegen die vom Statistischen Landesamt mitgeteilten Ergebnisse der Zählerei. Ihre Einwohnerzahlen sind niedriger als vor der Volkszählung, was für sie bedeutet, daß sie weniger Geld vom Land Hessen bekommen. Wenn ihre Widersprüche amtsintern negativ beschieden werden, müssen sie beim Verwaltungsgericht klagen. Insgesamt hat sich die Zahl der Hessen um 35.880 gegenüber der letzten Bevölkerungsfortschreibung vom Dezember 1986 reduziert.

Dr.Tröger vom Statistischen Landesamt gibt den Gemeinden, die Widerspruch eingelegt haben, allerdings keine Chance. Er erklärte gestern, schließlich hätten die Gemeinden die Zahlen selbst erhoben und seien damit verantwortlich für ihre Richtigkeit. Nur bei echten Versehen, wenn „zum Beispiel ein Eckhaus vergessen“ worden sei, sei eine Änderung der Statistik noch möglich. Der Referent für Kommunales Verfassungsrecht beim Hessischen Städtetag, Schlempp, sagte, bei den Kommunen habe vor der Volkszählung in den Einwohnermeldeämtern ein „völliges Durcheinander“ geherrscht. Dies sei entstanden, weil die letzte Volkszählung vom Jahr 1970 lange zurückliege und vor allem viele Menschen sich nicht ordnungsgemäß umgemeldet hätten. Drastisch ist der Einwohnerrückgang besonders dort, wo Menschen in Heimen leben, aber ihren ersten Wohnsitz beibehalten haben. Sie werden nach dem neuen Melderecht nur einmal gezählt.

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