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Tschechoslowakei: Strougal geht, Bilak bleibt

■ Regierungsumbildung in der CSSR ist kein Zeichen für eine Perestroika / Enttäuschung bei Oppositionellen / Der neue Chefideologe, Jan Fojtik: Keine Experimente wie beim Prager Frühling / Nächster Parteitag um ein Jahr vorverlegt / Mehr Einfluß für die Nationale Front

Berlin (taz/ap) - „Wird jetzt für uns nur alles schlimmer?“ fragen sich tschechoslowakische Oppositionelle nach der Umbildung der Regierung, die für die meisten Tschechen und Slowaken überraschend kam. Vor allem gibt ihnen zu denken, daß gerade diejenigen die Regierung verlassen mußten, die noch nicht alle Fäden zu Andersdenkenden abreißen ließen: Mit dem Abgang von Lubomir Strougal, der immerhin 19 Jahre das Amt des Ministerpräsidenten bekleidete, und mit Außenminister Bohuslav Chnoupek verliert die tschechoslowakische Staatsführung gerade die beiden Politiker, die noch im Geruch standen, der Reformpolitik in Moskau Sympathien entgegenzubringen. Für die Prager Intellektuellen und den ehemaligen Reformflügel der Partei galten die beiden zwar als Opportunisten, die nach 1968 im Regime geblieben waren, doch hatte man in der letzten Zeit durchaus registriert, daß Strougal und Chnoupek nachdenkliche Töne über den Umgang mit der Opposition und über die demokratische Tradition des Landes von sich gaben.

Große Enttäuschung bei den Oppositionellen löste dagegen das Verbleiben von Vasil Bilak in der Führungsspitze der KPC aus. Bilak mußte immerhin von seinem Posten als Leiter der Ideologiekommission der Partei zurücktreten und wird künftig eine neugeschaffene „Kommission für auswärtige Beziehungen“ leiten. Eine nicht zu unterschätzende Veränderung, ist doch Bilak nun von der direkten Einflußnahme auf die staatliche Innenpolitik ferngehalten, wenngleich er als Mitglied des Parteipräsidiums eine Schlüsselstellung in der Partei gehalten hat. Sein Nachfolger und Verantwortlicher zu Fragen der Ideologie ist Politbüromitglied Jan Fojtik, der die Beschlüsse der ZK-Sitzung am Dienstag auch der Presse mitteilen durfte. Zukünftig wird es 13 neue Arbeitskommissionen des ZK geben, eine Umstrukturierung, die zumindest dem Namen nach dem sowjetischen Vorbild folgt.

Gewinner der zweitägigen ZK-Tagung ist zweifellos Parteichef Milos Jakes, dem es gelang, alle Schlüsselpositionen mit Leuten zu besetzen, die seine Politik unterstützen. Die Macht der Partei wird nicht in Frage gestellt. Nur die Partei, so Jakes, könne die sozialistische Entwicklung der Gesellschaft garantieren, sie sei der Schlüssel für jegliche Demokratisierung und Umgestaltung des Systems. Experimente, so sagte auch der neue Chefideologe Fojtik, wie sie während des Prager Frühlings gewagt wurden, werde es nicht geben. Denn damals habe die Partei die Kontrolle über die Entwicklung verloren und damit der Konterrevolution Vorschub geleistet. Grundlegende Änderungen könnten nur unter dem Primat der Partei vor sich gehen.

Nach dem Beschluß des ZK-Plenums wird die Einberufung des nächsten Parteitags um ein Jahr auf das erste Halbjahr 1990 vorverlegt. Bis dahin sollen die angestrebten Reformprojekte Gesetzesreife erlangen. Zu diesen Vorhaben gehört eine Wirtschaftsreform und nicht näher bezeichnete „Änderungen im gesellschaftlichen Leben“. Die „Nationale Front“ - die Sammelbewegung aller in der Tschechoslowakei zugelassenen Parteien, soll größeren Einfluß erhalten.

Erich Rathfelder

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