Ciao, Jürgen!

■ Zur Trainerentlassung bei Hertha BSC

In der guten alten Zeit, als der Fußball-Lehrer Jürgen Sundermann, 48, auf dem Höhepunkt seiner Erfolge stand, bekam er einen mystischen Spitznamen. „Wundermann“ wurde er genannt und beneidet. Und dies aus gutem Grund. Denn: Mehrfach hatte Sundermann total frustrierte Gurkentruppen neu motiviert, ihnen beigebracht, wie ein ansehnlicher und erfolgreicher Ball gespielt werden muß. Er schaffte das nicht nur in der Bundesliga. Seine beruflichen Stationen führten ihn auch auf internationales Terrain. Türkei, Frankreich, Schweiz.

Und dann kam Hertha. „Ich muß verrückt gewesen sein“, antwortete Sundermann einmal auf die Frage, warum er ausgerechnet in Berlin unterschrieben habe. Am 21. April 1986 übernahm er ein Team, das dem Abstieg geweiht war. „Wir wollen einen Neuaufbau“, hieß es damals aus der Chef-etage der Herthaner. Koste es, was es wolle. Und Sundermann stand da, umgeben von Phantasten und Größenwahnsinnigen. Der Club am finanziellen Ruin, die Mannschaft sportlich drittklassig, ein ausgewechseltes Präsidium, das keine kleinen Brötchen backen wollte. Es forderte den direkten Wiederaufstieg in das Profilager. 1987, im ersten Anlauf, ging's daneben, in diesem Jahr war es vollbracht. Doch die Freude über das Erreichen des gesteckten Zieles währte nur kurz. Hertha -Präsident Roloff: „Jetzt geht's Richtung Bundesliga. Am besten schon in diesem Jahr.“ Die einzig realistische Einschätzung der Situation lieferte indes Sundermann. Ohne wesentliche Verstärkungen könne davon keine Rede sein. „Abstieg verhindern muß unsere Idee sein“, lautete seine Prognose.

Als sich die ersten Mißerfolge schließlich einstellten, wurde schnell der Ruf nach einem neuen Trainer laut. Vizepräsident Gayda, Hersteller von Fertighäusern, der eine beträchtliche Summe aufgebracht haben soll, den 3,3 Millionen Etat (mehr als mancher Erstligist) auf die Beine zu stellen, beanstandete „mangelnden Optimismus“ und „fehlende Konzepte“. Das ließ sich Sundermann nicht gefallen. „Ich sag‘ dem Gayda ja auch nicht, wie er seine Häuser zu bauen hat“, giftete er zurück. Ein schlechtes Spiel der Herthaner reihte sich an das nächste, und Gayda sah seine Investitionen den Bach runtergehen. 8:17 Tore, so wenig Treffer erzielte kein Team in den zwölf Spielen, 8:16 Punkte, drittletzter Platz - Sundermanns Prognose traf, zur Verwunderung aller, ein. Deshalb mußte er nun gehen. Obwohl in der letzten Woche sogar noch ein Vertrag bis 1990 unterschrieben wurde. Vorgestern abend hieß es in der Hertha -Geschäftsstelle lapidar, man habe sich „freundschaftlich und im beiderseitigen Einvernehmen getrennt“. Damit ist, nach so vielen, wieder ein Trainer bei Hertha verschlissen worden. An dem einstigen „Wundermann“ wird es kaum gelegen haben. Ciao, Jürgen!

hosch