: FILM AM BAU
■ Architekturfilme im Sputnik I
In jedem Film wird mit der Auswahl der Schauplätze (Stadt -Land; Hochhausviertel-Villensiedlung) eine bestimmte Sicht und Interpretation der gebauten (oder verbauten) Welt vermittelt, werden soziale Gefüge verdeutlicht, Machtgefüge visualisiert. Wenn Eric Rohmer in „Der Freund meiner Freundin“ die Protagonisten durch die kalten Straßen- und Platzfluchten der hypermodernen Trabantenstadt „La Villette“ bei Paris scheucht, so verstärkt er die emotionale Diskrepanz zwischen den Personen und der kühlen, nüchternen Umwelt; ein Gegensatz, der sich bildhaft durch den gesamten Film zieht. Bei Filmen wie „Metropolis“ oder „Koyaanisqatsi“ ist die Aussage noch eindeutiger. Bauten werden zum einschüchternden Protzkasten oder weichen ganz der verklärten Sicht unberührter Natur. Einige Regisseure haben sich konsequent mit Architektur filmisch auseinandergesetzt, weil sie vor ihrer cineastischen Beschäftigung eine architektonische Ausbildung absolviert haben - wie die Berliner Filmemacher Radeke/Woite (Feuervogelfilmproduktion), oder weil sie die Architektur und Stadtplanung in ihren Filmen aufgearbeitet haben (Reidemeister, Willutzki oder der Cubaner Alea).
Die Programmverantwortlichen für diese Reihe haben auf den weiten, aber meist schlecht ausgearbeiteten und langweiligen Bereich des wissenschaftlichen oder des Industrie-Films verzichtet, dessen Zielpublikum in der Regel außerhalb der Reichweite von Kino und Fernseher liegt.
Das Programm im Sputnik wurde aus Anlaß des 25. Jahrestages des ersten Stadterneuerungsprogramms zusammengestellt. Ist das überhaupt ein Grund zu feiern? Schließlich hat diese Stadterneuerung das Gesicht Westberlins bedeutender verändert, als die verheerenden Bombenschäden des Zweiten Weltkrieges. Das Ausmaß der Flächenumlegung im Zuge der Sanierung und Stadterneuerung des freien Vokes allein im Weddinger Vienatplatzgebiet hat den Umfang der sozialistischen Flächenkollektivierung um ein Vielfaches überschritten.
Die Themenbereiche innerhalb des Filmprogramms wurden auf den Berliner Zusammenhang beschränkt. Diese Selbstreduzierung ist schade, weil wichtige Aspekte und hervorragende Filme dadurch herausfallen. Es fehlt z.B. Francesco Rosis „Hände über der Stadt“, eine eindrucksvolle Anklage der korrupten Stadtplanung im Neapel der sechziger Jahre.
Einen breiten Raum nehmen die Agit-Prop-Filme der Berliner Schule ein, einer an halbdokumentarischen Darstellungsweisen orientierten Stilrichtung, die aktuelle Probleme der Gesellschaft zu Sujets ihrer Filme machten. Die Berliner Film- und Fernsehakademie hat sich in den siebziger Jahren besonders hervorgetan, wenn es galt, die Finger auf offene Wunden zu legen. „Nur in Geschlossenheit“ kolportiert das Wehklagen der ach so gebeutelten Haus- und Grundbesitzer, weil ein sozialliberales Mietrecht ihre Profitgier zu schmälern trachtet (inzwischen hat sich das ja gründlich geändert). Der Film läuft am 24. Oktober zusammen mit „Gegen Spekulanten“. In „Sechs Schritte lang, vier Schritte quer“ ebenfalls eine dffb-Produktion, befragen die Autorinnen den Architekten, der das (damals) neue Gefängnis Plötzensee plant. Die in dieser Zeit entstandenen Filme behandeln die verheerenden Folgen einer verfehlten Politik der totalen Flächensanierung (Wollt Ihr den totalen Neubau?), der brutale Konsequenzen auf Umwelt und Lebensbedingungen der Bevölkerung hat.
Wenn es filmhistorisch um Berlin geht, darf natürlich der Klassiker „Berlin - Sinfonie der Großstadt“ nicht fehlen. Eine filmische Rarität steht mit der „Reichsautobahn“ von Hartmut Bitomsky als Pars pro Toto für die Architekturideologie. „Reichsautobahn“ schildert in essayistischer Weise die Entstehungsgeschichte der braunen Verkehrsadern. Mit Zitaten aus Spiel- und Werbefilmen räumt Bitomsky mit dem Mythos von Arbeitsbeschaffungen für Millionen von Arbeitslosen und der wehrlogistischen Meisterleistung gehörig auf. Das Verkehrsaufkommen war viel zu gering, als daß die Autobahnen durch eine Auslastung sinnvoll hätten begründet werden können. Die NS-Straßenbauer planten für das nächste Jahrhundert, und das war ganz im Sinne der Machthaber des Tausendjährigen Reiches. Der Film gewinnt seinen besonderen Reiz durch die unaufdringliche Montage, die ohne den lehrerhaft erhobenen Zeigefinger auskommt.
Abgeschlossen wird die Reihe mit Peter Greenaways „Im Bauch des Architekten“, jenem postmodernen Verwirrspiel um einen todkranken Architekten, der in Rom auf den Spuren des französischen Revolutionsarchitekten Etienne Boulee lustwandelt. Damit wird auch die thematische Selbstbeschränkung doch noch aufgebrochen. Wenn im Zusammenhang mit der Sanierung einige Leute den Begriff „behutsame Stadterneuerung“ in den Mund nehmen, so ist da Vorsicht geboten. Es handelt sich dabei nur um eine euphemisierende Umschreibung alter Verfahrensweisen des Abrisses. Die Bewohner werden behandelt wie zuvor; nur werden manchmal ein paar Fassaden bunt angestrichen. Diese potemkinschen Dörfer sind hübsch anzusehen, plakativ und optisch interessant. Das gilt dann auch für den Film „Iss'n interessanter Hintergrund für die Geschichte!“ Ja dann.
mosch
Die Reihe „Architektur und Film“ beginnt am 15. Oktober im Sputnik Wedding. Vom 27. bis 30. gibt es ein Videoprogramm im Kreuzberger Sputnik. Außerdem soll eine Broschüre zu den Filmen erscheinen.
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