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„Atomwaffensperrvertrag verletzt“

US-amerikanischer Wissenschaftler wirft Bundesregierung vor, im „Fall Hempel“ Kontrollpflicht verletzt zu haben / Firmengruppe leitete Schwerwasser für waffenfähiges Plutonium nach Indien  ■  Aus Bonn Charlotte Wiedemann

Durch die weltweiten Geschäfte der Düsseldorfer Firmengruppe Alfred Hempel ist der Atomwaffensperrvertrag verletzt worden. Diese Feststellung traf gestern der US-Professor Gary Milhollin vom „Wisconsin-Projekt für nukleare Rüstungskontrolle“ vor dem Bonner Atom -Untersuchungsausschuß. Milhollin, der seine Vorwürfe gegen deutsche Behörden schon in früheren Veröffentlichungen erhoben hatte, bezog sich gestern auf die Lieferung von 15 Tonnen Schweren Wassers aus Norwegen, die Hempel 1983 mit einem deutschen Import-Zertifikat nach Indien umleitete. Schwerwasser dient als Moderator in Natururan-Reaktoren, aus denen sich waffenfähiges Plutonium gewinnen läßt. Es unterliegt deshalb ab der Menge von einer Tonne der internationalen Meldepflicht.

Das Material sei beim Indien-Deal zwar während des Transits im Ausland abgezweigt worden, habe aber unter der Verfügungsgewalt einer deutschen Firma gestanden, argumentierte Millhollin. Die Bundesregierung habe dabei ihre Kontrollpflicht verletzt. Wenn die Hempel-Geschäfte in der BRD als legal angesehen würden, dann könnte „jeder Händler ein deutsches Import-Zertifikat nehmen, um Plutonium oder hochangereichertes Uran insgeheim an irgendeinen Käufer in der Welt zu liefern“.

„Hempel unter die Lupe

nehmen“

Der US-Experte forderte von den deutschen Behörden, alle Hempel-Geschäfte unter die Lupe zu nehmen. Er wisse, daß die Firma gegenwärtig wieder nach Schwerwasser für Indien suche.

Der Streit um die Frage, welches internationale und nationale Recht im Fall Hempel überhaupt greift, wurde im Ausschuß gestern stellvertretend an der Person Milhollin ausgetragen: Die Marschroute dafür hatte der deutsche Botschafter in Washington, Ruhfus, angegeben. In einem vertraulichen Schreiben, das der 'Welt‘ zugespielt wurde, verriet er dem Auswärtigen Amt, daß Millhollins „unsachliche Vorwürfe“ auf „schlichte Unkenntnis der deutschen Rechtslage“ zurückgingen. Außerdem werde der Universitätsprofessor „von Umweltschutzorganisationen“ finanziert. Der Grüne Otto Schily forderte gestern, dieser „Mißbrauch der Botschaft“ für die Publikation „mieser Artikel“ müsse vom Ausschuß aufgeklärt werden.

Eine Durchleuchtung der weltweiten Hempel-Geschäfte (siehe taz von gestern) im bisherigen Atom-Ausschuß wird von CDU und FDP ohnehin als „rechtswidrig“ angesehen, weil sich der Untersuchungsauftrag nur auf die Ereignisse um die Hanauer Nuklearbetriebe beziehe. Die FDP glaubt allerdings, daß es in Sachen Hempel Aufklärungsbedarf gibt, und hat der SPD vorgeschlagen, dazu einen eigenen Untersuchungsausschuß zu beantragen. Diese FDP-Anregung wurde von CDU-Obmann Dr. Langner gestern als „sehr interessant“ kommentiert. Mit diesem Vorgehen verbindet sich vermutlich die Absicht, die Hempel-Machenschaften als rein private Firmen-Delikte darzustellen und Verbindungen zur Regierung und zum Hanauer Herzstück des Atomstaats von vorneherein auszublenden.

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