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Im Funkkontakt mit Gottes Wort

■ Rablinghauser Pastor predigt für und durch den Äther

„CQ-CQ-JAMBORY, THIS IS DELTA ZERO TWO, PAPA CALLING...“ Was da am Wochenende aus dem Rablinghauser Pfarrgarten piepste, richtete sich an Pfadfinder in aller Welt. Die verbünden sich nämlich einmal im Jahr weltweit über den Äther. „Wir hatten Kontakt in die Niederlande, die Sowjetunion, nach Dänemark, USA, Canada, Südafrika, Nigeria und Brisbane“, teilte Pastor Holger Gehrke am Sonntag vor der Rablinghauser Gemeinde erste Erfolge mit. Damit hätten die christlichen Pfadfinder aus seinem Pfarrgarten „Grenzen übersprungen Wenn alle Pfadfinder dieser Welt auf Sendung gehen, dann gibt keine Srachbarrieren, keine eisernen Vorhänge mehr.“

„Die Wellen - unsichtbar, nicht zu spüren und nicht aufzuhalten“, jubelte Gehrke von der Kanzel. „Für die Dauer des Funkkontakts sind wir eins geworden mit den Pfadfindern auf der anderen Seite der Erde.“ Eine Allmacht, die den Pastor an den Heiligen Geist erinnert. Auch der breitet sich im Äther aus, ist überall, muß nur empfangen werden.

„Wie im Amateurfunk, so im Glauben“, informiert Gehrke die Rablinghauser Gemeinde und die funkenden Pfadfinder, „wer Gott anrufen will, der kann das auch mit einer Antenne versuchen.“ Und dann „sendet Gott zurück auf den Frequenzen seines Geistes“.

Doch bei all der Gottes-Funkerei bleibt ein Problem: „Viele Menschen erwarten die Antwort an der falschen Stelle vielleicht sollten wir unsere Antenne mal drehen, weniger Senden und erstmal intensiv empfangen“, rät Pastor Gehrke. Schließlich „will Gottes Geist gebeten sein.“ Hat die Verbindung einmal geklappt, dann „fliegen die inneren Türen auf, und es bläst die Luft der Freiheit herein“. Plötzlich zeigt sich, daß es selbst für Computerfreaks im finstersten Loch mehr gibt, als den „EXIT zum DOS“ - das „LOGOUT“, die reine Rückkehr zum Computer-Betriebssystem. Auch wenn es die Gemeinde nicht versteht, es ist nicht schwer zu erraten: Pastor Gehrke wirbt für den Ausweg in den Glauben.

Er versteht sich nicht nur auf Funk-Sprüche, sondern auch auf Reime. Also wiederholt die Gemeinde im Refrain des vom Pastor selbst getexteten Chores, das es im Glauben aus jedem abgesperrten Raum noch einen Ausweg in die Freiheit gibt. Begleitet wird die frohe Botschaft - wie könnte es im fortschrittlichen Rablinghausen anders sein - auf dem Synthesizer. Verhält er sich zur Orgel wie der Funkspruch zu Gottes Wort? Will uns Pastor Gehrke die technische Reproduzierbarkeit des Heiligen Geistes beweisen?

Er will es nicht. Denn seine Predigt im Technik-Jargon schließt mit dem Hinweis: „Wer Gott per Funk anrufen will, der kann das versuchen. Aber er sollte doch lieber den direkten Weg suchen - ohne die Störungen und das Rauschen der Atmosphäre: das Gebet.“ Doch auch das folgende Gebet der Gemeinde geht in den Äther. Radio Bremen überträgt den Rablinghauser Funk-Gottesdienst live über sein zweites Programm. Da bleibt Pastor Gehrkes Gebet nicht ohne Doppelsinn: „Ich wünsche uns allen einen guten Empfang, Amen.“ Dirk Asendorp

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