CSU verordnet sich „schwäbischen Kohl“

Mögliches Duell um CSU-Parteivorsitz / Kampfabstimmung zwischen CSU-Landesgruppenchef Waigel und Wirtschaftsminister Tandler in letzter Minute verhindert / Landtagspräsident Heubl verzichtet auf Parteivize / CSU-Generalsekretär Huber mahnt zur Zurückhaltung  ■  Aus München Luitgard Koch

In der modernen Parteizentrale in der Nymphenburgerstraße trifft sich heute der CSU-Vorstand zu seiner ersten offiziellen Sitzung nach dem Tod von „Übervater“ Strauß. Auf der Tagesordnung steht für die „Hinterbliebenen“ die zentrale Frage: „Wer kandidiert für den Parteivorsitz?“ Mehr wie der Teufel das Weihwasser scheinen die „Schwarzen“ einen öffentlichen Wettstreit um diesen begehrten Posten zu fürchten. Das Ergebnis der Beratungen hinter geschlossenen Türen ist nach diesem Wochenende deshalb längst nicht mehr so spannend. Die Kandidatur des Bonner Landesgruppenchefs Theo Waigel ist schon so gut wie sicher. Ein mögliches Duell zwischen dem Schwaben und dem derzeitigen bayerischen Wirtschaftsminister Gerold Tandler versuchten die CSUler mit allen Mitteln zu verhindern.

„Ein langjähriger Generalsekretär, der soviel für die Partei getan hat, soll unbeschädigt aus der derzeitigen Personaldiskussion hervorgehen“, betonte Landtagspräsident und gleichzeitig einer der vier stellvertretenden CSU -Vorsitzenden, Franz Heubl, und lobte damit Tandler. Um eine Kampfkandidatur zwischen Wirtschaftsminister Tandler und Waigel zu vermeiden, will der 64jährige Schwabe auf seinen Vizeposten in der Partei verzichten. Wie er nach einer Sitzung des schwäbischen Bezirksverbands in Augsburg am Wochendende beteuerte, habe er Tandler dieses Angebot bereits unterbreitet. Und auch Max Streibl, zukünftiger bayerischer Ministerpräsident, macht sich für diese Lösung stark. Um Kronprinz Tandler dieses Modell schmackhaft zu machen, soll das Amt aufgewertet werden. Denn wie bereits die 'FAZ‘ weiß, will Tandler nur „eine herausragende, möglicherweise neu zu definierende Position übernehmen“. Das würde eventuell bedeuten, der Altöttinger Postwirt ist als Parteivize mehr für Bayern, Waigel mehr für Bonn zuständig.

Das Roulette um das neue bayerischen Kabinett und die Einigung auf einen neuen bayerischen Ministerpräsidenten ging zwar vergleichsweise geräuschlos vor sich. Gestritten wurde anscheinend, wie es der ehemalige Bundesminister Herrmann Höcherl den seinen empfohlen hatte, mehr hinter verschlossenen Türen. Offiziell gewählt wird das neue Kabinett zwar erst am Mittwoch. Die Rollen sind jedoch bereits verteilt. Auch der Streit um Innenminister Lang als neuen Wirtschaftsminister scheint geschlichtet. Lang selbst erklärte in einem Interview seiner Heimatzeitung aus der Oberpfalz, daß er dieses Amt übernehmen wird. Anders dagegen ist es bei der Wahl für den Parteivorsitz zugegangen.

Wenn auch ein offener Zweikampf jetzt vielleicht verhindert wird, das heimliche Duell hat stattgefunden. Noch vor Ablauf der Woche muß der erst vor wenigen Monaten zum CSU -Generalsekretär gekürte Erwin Huber in aller Öffentlichkeit das unruhige Parteivolk zur Zurückhaltung mahnen. Allen, von den Oberen über den Kreisverband bis hinunter zum Ortsverband, wird der Maulkorb umgehängt. Was ist passiert? Kaum schickt sich der Bonner CSU-Landesgruppenchef Theo Waigel an, die Schuhe des „großen Vorsitzenden“ zu probieren, schon wird protestiert. „Schwäbischer Kohl“ schimpft der rechtslastige 'Münchner Merkur‘, und hinter dem Kommentar wird eine „Pro-Tandler CSU-Riege“ vermutet. Der 49jährige „politische Ziehsohn“ des ehemaligen bayerischen Wirtschaftsministers Anton Jaumann sei zu „unbayerisch“ kompromißlerisch und immer nur auf Ausgleich in Bonn bedacht gewesen. Mit ihm als neuen Vorsitzenden könnten die „Schwarzen“ gleich ihre Parteiauflösung beschließen und gleichzeitig ihre Aufnahmeanträge an die CDU abschicken. Und je mehr der eher zurückhaltende Waigel von der liberalen Presse mit Zuspruch bedacht wird, desto höher schlagen die Wogen in München. Soviel „linken Lorbeer“ hätte bisher noch kein „aufrechter CSU-Mann“ empfangen können, heißt es mißtrauisch. Daß der gelernte Gerichtsassessor kein schäumender „Bierzelttribun“ ist, steht fest. Aber auch sein möglicher Gegenspieler Tandler brachte die Volksseele hinter den Maßkrügen nicht sofort zum Kochen. Und selbst Strauß predigte im letzten Landtagswahlkampf nicht immer vor vollen Bierbänken. Die Angst, mit dem moderaten Theo die Hoheit über Stammtische und Bierzelte zu verlieren, sitzt jedoch auch einigen CSU-Landtagsabgeordneten im Nacken. „Ein Terrier wird gebraucht“, murren sie. Einer, der das Fernsehvolk aufschreckt, wenn er auf dem Bildschirm erscheint. Daß der katholische Bauernbub Waigel seine buschigen Augenbrauen zusammenziehen und darunter auch finster dreinschauen kann, reicht vielen nicht aus. Das „grimmige Puttengesicht“, so der 'Spiegel‘ von Tandler, scheint ihnen Garant für „weißblaue-bärbeißige Unverwechselbarkeit“. Während der Sudetendeutsche Tandler mehr für „Law und Order“ steht, verkörpert Waigel eher den Typus „moderner CSU-Politiker der politischen Mitte“. Freilich, betont auch der seriös wirkende Pfeifenraucher, „vernünftig national“ Gesinnte müssen auch ihren Platz in der CSU finden. Was der schwäbische „Bezirksfürst“ Waigel gegenüber dem 52jährigen Tandler in die Waagschale wirft, ist sein „bundespolitisches Gewicht“. Vornehmste Aufgabe der CSU-Landesgruppe im Bundestag bleibt es sicherlich, das nötige Kleingeld aus Bonn in bayerische Kanäle umzuleiten. Waigel scheint prädestiniert dafür, gilt er doch auch als Wunschkandidat von Führungskräften der Wirtschaft. Und neben den Schwaben weiß Waigel gleichfalls die CSU-Riege aus Niederbayern und der Oberpfalz hinter sich. Aber als Integrationsfigur für den rechten Rand der CSU hat Waigel bisher nichts anzubieten. Republikanerchef Franz Schönhuber, der bei der vergangenen bayerischen Landtagswahl bereits über drei Prozent einheimsen konnte, sieht sich schon im Landtag sitzen.

Bonn (dpa) - Bundeskanzler Kohl sagte in einem Interview des Bayerischen Fernsehens, auch nach dem Tod von Strauß habe sich am bundespolitischen Anspruch der CSU nichts geändert. Der CDU-Vorsitzende glaubt auch nicht, daß die Zusammenarbeit zwischen CDU und CSU ohne Strauß als Leitfigur auf CSU-Seite schwieriger werde. Die bayerische Schwesterpartei habe hervorragende Persönlichkeiten, die die Partei in der nächsten Generation weiterführen würden. In der Bonner Koalition werde weiter Punkt für Punkt des Regierungsprogramms abgehakt. Der neue CSU-Chef werde daran ebenso mitarbeiten wie der neue FDP-Vorsitzende Lambsdorff.