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Oh God, Machine Sex

■ „Rita, Sue und Bob dazu“ von Alan Clarke ist der absolut gelungene Versuch, britischen Humor nach allen Regeln der Kunst totzubumsen, kaputtzuquatschen und totzufilmen

Film Four und British Screen haben nach Stormy Monday abermals auf dem nordenglischen Filmsektor zugeschlagen. Diesmal mit Rita, Sue und Bob dazu. Der Streifen heißt wirklich so, und der Titel redet schon Bände. So könnte diese Rezension eigentlich schon zu Ende gehen, verbunden mit dem Hinweis, daß der Regisseur der 92 Minuten Alan Clarke heißt, wenn da nicht....

Wenn da nicht zum Beispiel das vielgepriesene britische Filmwunder wäre. Greenaway, Frears, Ivory, Jordan, Leyland, Bernard, Figgis, Francis Forsyth und Mackenzie sind Regisseure, die diesen Ruhm mitzuverantworten haben. Mr. Clarke mit den Kollegen-Koriphäen zu vergleichen ist allerdings völlig unangebracht, denn dabei kann er nur verlieren.

Dabei hört es sich ganz spannend an, wenn die beiden Hauptdarstellerinnen bislang vom Kinogeschäft völlig unberührt waren, die Drehbuchautorin im Twen-Alter tatsächlich im Buttershaw Estate in Bradford, dem Drehort, wohnt und arbeitet und die Authenzität der Lebenszusammenhänge solch eines verslumten Ghettos in den Mittelpunkt der filmischen Betrachtung gestellt werden. Doch die Crux so mancher ambitionierten FilmemacherIn ist sattsam bekannt. Eine beliebige Bild-Ton-Montage macht noch lange keinen Film.

Rita (Siobhan Finneran) und Sue (Michelle Holmes) leben in Bradford bei Leeds und das heißt schon mal nichts Gutes, jeden

falls wenn das nötige Kleingeld fehlt. In der Stadt des Tribünenbrandes im Fußballstadion vor einigen Jahren geht auch sonst eine Menge drunter und drüber. Arbeitlosigkeit, Verfall und eine daraus resultierende Lethargie der Menschen sind die Zeichen der Zeit.

Es sei denn, jemand hat einen festen Job, ein geregeltes Einkommen, ein geräumiges Auto und ein Häuschen am Stadtrand, genau wie Bob (George Costigan) und seine Familie. Dann kann Mann sich auch zwei Babysitter leisten, aus dem Buttershaw Estate natürlich, denn die kosten nicht soviel.

„Bob fährt Euch nach Hause, das tust Du doch gern, Bob?“, fragt die steingesichtige Ehefrau den glubschäugigen Bums -Heroen in spe. Na und ob der will. Sogleich fährt er mit ihnen ins heimelige Moor, das Wetter ist naßkalt, wie das in England eben so ist, und darum geht es ohne große Umschweife gleich auf dem Liegesitz der Bei(schlaf)fahrerin gehörig zur Sache. In kurzen Worten erläutert Bob den jungen Frauen, wie er sich die zwanglose Erledigung des geschlechtlichen Beiwohnens unter erschwerten Bedingungen vorstellt, und ab geht die Post.

Nachdem er sich die beiden gackernden Hühner (über die schnarrende Baby-Synchronisation weitere Worte zu verlieren, verbietet sich von selbst) so richtig vorgenommen hat, könnte das Kinopublikum eigentlich den Heimweg antreten. Denn nach

diesem Intro folgen nur noch Wiederholungen. Bob will immer, kann immer und Rita und Sue sind dauerheiß wie Nachbars Lumpi. Mr. Clarke hat sich alle erdenkliche Mühe gegeben, britischen Humor nach allen Regeln der Kunst totzubumsen und kaputtzuquatschen. Ohne Rhythmus und Fluß schickt er die männliche Heißdüse mit seinen fetten Dumm-Girls durch eine Filmruine der plattesten Klischees.

Die Slums mit ihren sozialen Problemen verkommen zur pittoresken Kulisse für ständig vollstramme Vater-Fratzen und herrlich amüsante Geile-Bock-Sprüche. Verelendung und sexuelle Vereinnahmung als lustig lockere Klamotte zum scheckig lachen. Zwischendurch gibt es gar noch einen Schuß Rassenprobleme, wenn ein eifersüchtiger Pakistani Sue was auf's Maul haut, und fertig ist das Machwerk.

Völlig unrepräsentativ und daher unbedingt erwähnenswert sind Ivan Strasburgs bewegliche Kameraführung, die so gar nicht mit dem dramaturgischen Niveau dieses Filmchens mithalten will, sowie ein Originalausschnitt aus einem pakistanischen Spielfilm, der wenigstens große Leinwandgefühle vorgaukelte.

Eines sollte Mr. Clarke jedenfalls mit auf den Weg gegeben werden: Wenn Dummheit reich machen würde, bräuchten Sie nicht mehr zu arbeiten.

Jürgen Francke

„Rita, Sue und Bob dazu“.

Cinema, 21 Uhr

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