piwik no script img

Geiseldrama: Polizeichef räumt Fehler ein

■ Polizeipräsident stellte vertrauliche Bestandsaufnahme der Polizeistrategie zusammen / Fehlender Notarztwagen war Fehler, der durch Tod von Emanuele de Georgi „eine besondere Dimension erhält“

Schwere Versäumnisse der Polizei während des Bremer Geiseldramas hat Polizeipräsident Ernst Diekmann in einem 113seitigen vertraulichen Bericht eingeräumt. Erster „bedeutsamer Mangel“: Als das Fluchtauto von Hans-Jürgen Rösner und Dieter Degowski Richtung Bremen fuhr, war die „polizeiliche Basis“ nicht ausreichend informiert. Diekmanns Schlußfolgerung: Es hätte aus Unkenntnis zu „unkontrollierten Aktionen von Beamten beim Zusammentreffen mit den Geiselnehmern kommen können, die verheerende Folgen hätten haben können.“

Zweiter Fehler: Die unzureichende Absperrung im Bereich der Bushaltestelle Huckelriede,

wo Rösner ab 18.16 Uhr von einem Gemüseladen aus mit der Polizei telefonierte und anschließend einen Bus der Linie 53 kaperte. Diekmann: „Erst um 20.05 Uhr wurden zwei Züge der Alarmhundertschaften der Schutzpolizei alarmiert. ... Nach retrospektiver Beurteilung der

Lage war es erforderlich gewesen, schnell stärkere Kräfte zu alarmieren. Daß dies nicht geschah, darf als taktisch -organisatorischer Mangel nicht verschwiegen werden.“

Dritter Fehler: Trotz einer ständigen Direktleitung zwischen Straßenbahn-Zentrale und Poli

zei wurde der gefährdete Busfahrer nicht rechtzeitig gewarnt, weil erst eine Verbindung im Büro des Kommissars vom Dienst hergestellt wurde. Diekmann: „Warum dieses Verfahren gewählt wurde, ist unverständlich.“

Vierter Fehler: Die Polizei verhandelte nicht mit den Tätern,

obwohl dies vereinbart war. Zwar gab es insgesamt sieben Gesprächskontakte über Straßenbahnfunk zwischen der Polizei und dem Fahrer des gekaperten Bus. Diekmann: „Eine regelrechte Verhandlung, insbesondere mit den Tätern, war dies nicht. Es wurden lediglich Täterforderungen übermittelt.“

Fünfter Fehler: Die unkoordinierte Festnahme von Marion Löblich auf der Autobahnraststätte Grundbergsee gegen 22.46 Uhr und die im allgemeinen Funk- und Kompetenz-Wirrwarr verzögerte Freilassung gegen 23.00 Uhr. Diekmann: „Dieser Ablauf hätte möglicherweise bei einer kompetenten Führung und einem koordinierten Einsatz vor Ort beschleunigt werden können.

Sechster Fehler: Das verspätete Eintreffen eines Notarztwagens auf der Raststätte, wo der 15jährige Emanuelle de Georgi um 23.07 von Degowski in den Kopf geschossen wurde. Diekmann: „Das Stadt- und Polizeiamt hat zu vertreten, daß in seiner Verantwortlichkeit kein Rettungswagen am Grundbergsee bereitgehalten worden ist. Dieses Versäumnis ist ein Fehler, der durch den Tod des 15jährigen eine besondere Dimension erhält.“

K.S.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen