: Sportliche Arbeitsbeschaffung
Die Bundesanstalt für Arbeit fördert den Sport / Den vielen arbeitslosen Lehrern hilft das nur zwei Jahre / St. Pauli fand über ABM einen neuen Trainer ■ Von Uli Clemens
Unsicherheiten und leistungshemmende Nervosität im Wettkampf gehören für die Angehörigen des westfälischen Schützenbundes in Dortmund bald der Vergangenheit an. Um die Psyche der Schützen in den Griff zu bekommen und um die negativen Folgen des Wettkampfstresses auszuschalten, hat der Verband einen Psychologen eingestellt. Den gerechten Lohn für diesen Dienst am Schützensport muß sich der Psychologe beim Arbeitsamt abholen.
Die Feuerwehr in Lübeck macht plötzlich große Sprünge. Die Sportabzeichenrate schnellt in die Höhe - Wohlstandsbäuche werden mühsam abtrainiert. Eine Sportlehrerin, vom Arbeitsamt bezahlt, hat die Lübecker „Red Adares“ auf Trab gebracht.
Das Training in einem Bochumer Vorort-Fußballverein beginnt für die Kinder plötzlich wieder attraktiv zu werden. Filmabende, Spiele statt sturem Üben, Betreuung auch außerhalb der festen Trainingszeiten. Seit vier Monaten arbeitet ein Sportlehrer im Verein, auch er wird vom Arbeitsamt bezahlt.
Das Zauberwort, das sich hinter all diesen breitensportlichen Spitzenleistungen verbirgt, heißt ABM (Arbeitsbeschaffungsmaßnahme). Seitdem sich im Bundesgebiet die vom Schuldienst vertriebenen jungen SportlehrerInnen ihre Nasen an den Schulsporthallen von außen plattdrücken, sind sie von den Politikern an die Arbeitslosenverwaltung weitergereicht worden.
Über die Finanzierung von ABM haben sich die Arbeitslosenämter unbemerkt von der Öffentlichkeit zu einem der größten Förderkreise des bundesdeutschen Sports gemausert. 5.000 bis 6.000 arbeitssuchende SportlehrerInnen gibt es nach Schätzungen des Landesarbeitsamtes Nordrhein -Westfalen in der BRD. Allein in Dortmund finanziert das Amt etwa 25 Sportlehrer, deren Einsatzfeld vom Versehrtensport bis zur Talentsichtung in der dahinsiechenden Leichtathletik reicht. Heute hat sich im Kindergarten der behördliche Tennistalentsichter angesagt, morgen kommt der „Fußballer“, um ein Bambini-Fußballturnier zu veranstalten.
Rechnet man pro Sportlehrer einen durchschnittlichen Bruttoverdienst von 3.500 Mark im Monat, so kommt man allein in Dortmund auf über 85.000 Mark monatlich, ohne den Arbeitgeberanteil mitzurechnen. Eine runde Summe, die so manchen sportfördernden Konzern in den Schatten stellt.
Für die Einrichtung einer solchen Stelle gelten zwei Bedingungen: Es muß sich um eine Arbeit handeln, die sonst nicht getan würde, und sie muß im öffentlichen Interesse sein. Rüdiger Matisz vom Arbeitsamt Dortmund: „Wir können also nicht den Platzwart bezahlen, wir könnten auch keinen Sportlehrer für eine geschlossene Gesellschaft finanzieren, zu der prinzipiell nicht jeder Zugang hat.“ Der neue Vorturner muß sich sein Aufgabenfeld im Verein oder Verband oft erst selber suchen.
Da die Unterstützung durch das Amt meist auf zwei Jahre befristet ist, steht der Arbeitssuchende nach dieser Zeit genau dort, wo er vor zwei Jahren angefangen hat. Die Arbeitsamtsstrategen betrachten ABM als Übergangslösung. Rüdiger Matisz: „Wir wollen eine Anstoßfinanzierung bieten. In dieser Zeit, die wir bezahlen, muß sich der Betreffende seinen Markt schaffen. Wir wollen nachweisen, daß bestimmte Arbeiten notwendig und sinnvoll sind. Dann finden sie auch einen anderen Kostenträger.“
Bei den Betroffenen bleibt ein übler Nachgeschmack. In der Regel fehlt die Perspektive, und nur der anschließende Anspruch auf Arbeistlosengeld oder die Finanzierung einer Umschulung hält die Betroffenen bei der Stange.
So werden munter weitere Einsatzfelder erschlossen. Das sportliche Engagement des Branchenriesen aus Nürnberg nimmt unaufhaltsam zu. Das Deutsche Turnfest in Bochum wird durch ABMler organisiert, die Amateurweltmeisterschaft im Formationstanz Ende Oktober in Dortmund ebenso, und auch der 1.FCSt.Pauli muß sich beim Arbeitsamt bedanken. Der mittlerweile zum Trainer der Bundesligamannschaft berufene Helmut Schulte kam in den Verein, als ihn das Arbeitsamt finanzierte. In vielen Sportarten wird die Nachwuchsförderung bereits vom Nürnberger Monopolisten beherrscht. Auch der Eingriff in den Spitzensport ist dem Amt schon gelungen. Nur in der Imagepflege liegt der Konzern weit hinter vergleichbaren Förderern des Sports zurück.
Dieter Kürten wird nicht umhin können, als verantwortlichen Macher der nächsten Medaillen bei internationalen Meisterschaften unseren Herrn Franke von der Bundesanstalt für Arbeit ins Sportstudio einzuladen.
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