Papst Wojtyla und sein Trio infernale

Machtkampf zwischen Erzbistum Köln und Vatikan: Wer wird neuer Kirchenfürst in der Karnevalsstadt / Die Kandidaten des Papstes gelten als revolutionäre Statthalter des Pontifex  ■  Aus Köln J.Nitschmann

Seit über einem Jahr ist der Bischofsstuhl im Erzbistum Köln, einer der größten und reichsten Diözesen der Welt, verwaist. Zwischen dem Vatikan und dem Kölner Domkapitel ist inzwischen ein offener Machtkampf um die Ernennung des neuen Kirchenfürsten ausgebrochen. Nachdem sich das 16köpfige Domkapitel auf keinen Kandidaten des päpstlichen Dreier -Vorschlages hat verständigen können, haben die konservativen Kirchenmänner ausgerechnet einen roten Regierungschef als ihren Verbündeten gegen den Vatikan ausersehen.

Doch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Johannes Rau (SPD), der nach dem Preußenkonkordat von 1929 seine Zustimmung zu dem neuen Kölner Oberhirten erteilen muß, will offensichtlich keinen Konflikt mit dem Papst riskieren. Und der römische Pontifex möchte an der Spitze des Bistums mit dem weltweit höchsten Jahresetat von rund 900 Millionen Mark unbedingt einen erzkonservativen Hardliner sehen. So ignorierte der polnische Papst die insgesamt acht Vorschläge aus der Kölner Kirchenkurie für die Neubesetzung des dortigen Bischofsstuhls.

An erste Stelle plazierte Wojtyla dem Vernehmen nach den in Ost-Berlin residierenden Kardinal Joachim Meisner, der selbst unter seinen Amtsbrüdern als „Intrigant und verknöcherter Konservativer“ verschrieen ist. Auch der zweite Favorit des Papstes ist eine regelrechte Provokation für die Katholiken: der Fuldaer Bischof Johannes Dyba - ein sprachgewaltiger Demagoge, der sein Handwerk im Berliner RCDS erlernte - führt die vereinigte Rechte innerhalb des bundesdeutschen Klerus an und gilt als eine Art „Heiner Geißler der Bischofskonferenz“. Dyba sorgte in der Vergangenheit immer wieder mit seinem unorthodoxen Vorgehen gegen geistliche Linksabweichler für Schlagzeilen.

So kämpfte der Mann mit der Berliner Schnauze innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz wiederholt dafür, dem größten katholischen Jugendverband, der katholischen Jungen Gemeinde (KJG), wegen dessen Engagement gegen Kriegsdienst, Atomkraft und Aufrüstung einfach die Bezeichnung „katholisch“ zu entziehen. Ein anderes Mal empfahl der rechte Fuldaer Oberhirte den linken Jungkatholiken, sie sollten ihre verkommenen Polit-Schriften in der Rhön verbrennen und dabei ein „Fest der Befreiung“ feiern.

Der dritte Kandidat des Papstes für den Kölner Bischofsstuhl, Kurienbischof Paul Josef Cordes, stammt zwar aus dem Sauerland, ist hierzulande aber ein eher unbeschriebenes Blatt. Frühzeitig machte Cordes Karriere im Vatikan, kümmerte sich dort vorwiegend um die „ökumenischen Beziehungen“ zu den anderen Religionsgemeinschaften, ohne jedoch mit irgendwelchen profilierten Positionen von sich reden zu machen.

Nach der „Pattsituation“, wie die Kirchenmänner das Durchfallen der päpstlichen Kandidaten eher vornehm umschreiben, ist nun eine heftige Auseinandersetzung darüber entbrannt, wer jetzt bei der Besetzung des Kölner Bischofsstuhls am Zuge ist. Konservative Kirchenrechtler vertreten die Position, daß der Papst nunmehr aus eigener Machtvollkommenheit einen Mann seines Vertrauens - der erzkonservative Kardinal Meisner wäre hier wohl Favorit zum neuen Kölner Erzbischof ernennen kann. Seit dem Rücktritt von Kardinal Joseph Höffner im September vergangenen Jahres ist die Stelle schon vakant. Die Verfechter dieser „römischen Lösung“ berufen sich auf eine Bestimmung des Kirchenrechts, die in ähnlich gelagerten Fällen von einer „ungenutzt verstrichenen Frist“ spricht, nach der allein der Vatikan das Wort habe.

Dagegen argumentiert der Staatskirchenrechtler Alexander Hollerbach (Freiburg), daß diese Situation schon deshalb nicht auf das Kölner Domkapitel zutreffe, weil es weder die Wahl verweigert noch ungültig gewählt habe. Darüber hinaus vertritt Hollerbach die Auffassung, daß bei der Kölner Bischofswahl („nach dem Grundsatz Völkerrecht bricht Kirchenrecht“) allein das preußische Konkordat anzuwenden sei, das in seinem Artikel 6 allein die Wahl durch das Domkapitel vorsehe. Der Vatikan, so wird weiter argumentiert, schulde den Vertragspartnern - in diesem Falle den Landesregierungen von Nordrhein-Westfalen und Rheinland -Pfalz - die Einhaltung dieser Konkordatsbestimmungen. Nach Artikel 13 des Konkordats hat sich der Vatikan verpflichtet, „entstehende Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung einer Bestimmung auf freundschaftliche Weise zu beseitigen“.

Dies will der Vatikan nun offensichtlich auf seine Weise erledigen. In Düsseldorfer Regierungskreisen häufen sich derzeit die Anzeichen dafür, daß der in Bonn residierende päpstliche Nuntius innerhalb der nächsten Wochen Ministerpräsident Rau aufsuchen wird, um ihm auf Vorschlag des Papstes einen neuen Kölner Erzbischof zu präsentieren. Insbesondere eher kirchenkritisch eingestellte Regierungsmitglieder befürchten, daß der Protestant Rau aus lauter Harmoniebedürftigkeit „seinen Segen zu der römischen Lösung gibt und einen glatten Konkordatsbruch um des lieben Friedens willen hinnimmt“.

„Es ist schon paradox, aber die liberalen Katholiken müssen auf Bernhard Vogel setzen“, erklärte ein Insider der Düsseldorfer Regierungsgeschäfte gegenüber der taz. Tatsächlich gilt der rheinland-pfälzische Ministerpräsident gegenüber der Kirchenhierarchie als wesentlich unerschrockener als Rau. Dies wird vor allem in der langjährigen Tätigkeit Vogels als Präsident des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken (ZdK) begründet, wo er wiederholt gegen die engstirnigen Bestimmungen des Vatikans zum Engagement von Laien innerhalb der katholischen Kirche angegangen sei.

Selbst der legendäre Kölner Kardinal Josef Frings, alles andere als ein fortschrittlicher Kirchenmann, hat das scheindemokratische Verfahren bei Bischofswahlen durch die „Negativauswahl“ des Vatikans mehr oder weniger deutlich angeprangert: Auf der Dreier-Liste aus Rom, so befand der Kölner Ex-Kardinal, stehe „ein Chinese, ein Koreaner und der, der es werden soll“.