: TAKTIK STATT TRÄNEN
■ Eröffnung eines Büros für Kinderkino
Zum 4.Mal werden im November die Kinderkinotage laufen (Träger: Förderverein Deutscher Kinderfilm): sieben Tage in acht Kinos mit 16 Filmen aus Europa. Seit März 1986 arbeitet in Berlin die Kinderkinoinitiative, die jeden Monat einen Film durch 19 Berliner Kinos schickt - im November steht eine finnische Verfilmung der „Schneekönigin“ nach Andersen auf dem Programm. Die Initiative wird vom Wirtschaftsverband Berliner Filmtheater getragen, unterstützt vom Kultur- und Familiensenat und zudem noch gesponsert von der Berliner Volksbank, deren sparfleißiges Bienchen werbend über die Leinwand summt. Obwohl die Vorstellungen gut besucht sind 75.000 Besucher in einem Jahr -, bleiben die Zuschüsse Bedingung des Programms, um die Eintrittspreise unter dem normalen Kinoeintritt zu halten. Einige der teilnehmenden Kinos haben inzwischen ihr übriges Angebot an Kinderfilmen intensiviert.
Wenn jetzt die Kinderkinotage und die Kinderkinoinitiative zusammen ein Büro erhalten, scheint das zunächst nicht spektakulär. Die Mittel für die Einrichtung kamen vom Kuratorium Junger Deutscher Film und wieder vom Senat, der daraufhin gleich von „Berlin als Ort des Kinderfilms“ phantasiert. Doch schielt man auf die zwar zahlreichen Finanztöpfe, aus denen aber nur jeweils hier und da ein Löffelchen für den Kinderfilm abgegeben wird, zeigt sich das Problem: dem Kinderfilm fehlt eine finanzstarke Lobby. Als erfolgversprechendes Geschäft gilt er in der deutschen Filmindustrie nach wie vor nicht. Kino wird gemacht für die, die Geld haben, Kinder haben keins. So ließe sich diese Gemeinheit auch zusammenfassen. Die Produzenten haben wahrscheinlich alle die Spiegelglassplitter des Teufels in ihrem Herzen, die böse und hartherzig machen. Nun kann man nicht wie in Andersens „Schneekönigin“ darauf hoffen, daß ein kleines Mädchen mit ihren Tränen diese Splitter aus den Herzen schwemmt.
Der Zusammenschluß der beiden Initiativen in einem Büro dient deshalb vor allem der Taktik, das Problem Kinderfilm von hinten aufzurollen. Das große Interesse eines Kinderpublikums verdeutlichen die Besucherzahlen ihrer Veranstaltungen; Kinderfilme, die jetzt überwiegend aus anderen Ländern kommen, erhalten zunehmend einen festen Platz im kommerziellen Kinoprogramm und sollen damit in das Bewußtsein der Produzenten rücken. Erstes gemeinsames Vorhaben der beiden Initiativen ist die Zusammenstellungen einer Kinderkurzfilmrolle für Kinos - wenn schon der normale Kurzfilm in rostigen Büchsen vor sich hinschimmelt, so der für Kinder erst recht. Das Kinderkinobüro, in dem auf Honorarbasis sechs und mehr Frauen arbeiten, soll in der Zukunft über einzelne Projekte finanziert werden, die nicht allein das Abspiel betreffen, sondern auch die Arbeit an Verleih, Förderung, Produktion und Drehbuch intensivieren sollen. Es dient zunächst mehr den ständigen Proklamationen einer Wunschliste, als daß es diese nun selbst realisieren kann. Zudem ist das Büro schon jetzt ein Ort, an dem Kontakte, Material und viele Informationen über Kinderfilme aus aller Welt zusammenlaufen.
Katrin Bettina Müller
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