Gauweiler - Bayerns Absteiger des Jahres

Erstes bayerisches Kabinett nach Strauß / Senkrechtstarter Gauweiler gebremst / Zuständigkeit für Polizei, Sicherheit und Aidspolitik wird ihm entzogen / Als Staatssekretär im Innenministerium nur noch für Baubehörde zuständig  ■  Aus München Luitgard Koch

Bayerns Innenstaatssekretär Peter Gauweiler war gestern bei der Kabinettsumbildung im bayerischen Landtag nach dem Tod von Strauß der Verlierer des Tages. Bei dem vorgenommenen Revirement, das bereits seit einigen Tagen feststand, stürzte der 39jährige Senkrechtstarter jäh ab. Während es am Dienstag aber noch hieß, der „Schwarze Peter“ werde neben der Leitung der obersten Baubehörde künftig auch für den Bereich Lebensmittelrecht zuständig sein, wurde der Saubermann gestern noch mehr „gestutzt“. Nur noch die oberste Baubehörde ist dem Hardliner unterstellt. Weder über die Aids- noch die Ausländerpolitik im Freistaat, beides Bereiche, in denen sich der Strauß-Zögling als Scharfmacher profiliert hat, kann er nunmehr bestimmen. „Ich halte es für gut, wenn Peter Gauweiler sein Spektrum ein bißchen erweitert“, erklärte der neue Innenminister Edmund Stoiber. Unter seiner Federführung wurden die Kompetenzen des gelernten Juristen zusammengestrichen. Als neues Aufgabengebiet für Gauweiler definierte der ehemalige Staatskanzleichef den Bau von Abwasser- und Trinkwasseranlagen, den sozialen Wohnungsbau, den Wohnungsbau für Aussiedler und das seit einigen Monaten aktuelle Problem der einsturzbedrohten Spanndecken in Viehställen. „Ich halte Peter Gauweiler für einen sehr kreativen Kopf“, setzte Stoiber nach und betonte, der „so große Bereich“ brauche Kreativität. Gauweiler nahm seine Entmachtung, davon wird auch in CSU-Kreisen offen gesprochen, mit starrem Gesicht hin. „Es handelt sich um eine Entscheidung der neuen politischen Führung. Die neue Aufgabe befaßt sich mit Problemen und Anliegen unserer Dörfern und Städte, dem Zustand und Charakter unserer Straßen, unserer Gewässer. Dies sind wichtige Fragen für menschliches Befinden und Verhalten - ich nehme diese neue Arbeit gerne auf“, verkündete der Junggeselle.

Der letzte Clou, den sich der „Obersheriff“ nach der makaberen Nachstellung des Gladbecker Geiseldramas leistete, war sein Abkommandieren von Polizeimusikern zu Privatfesten, so etwa für die Hochzeit des Münchner Kinobesitzers und Gauweiler-Spezis Bob Arnold. Seinen Spieltrieb befriedigte Gauweiler auch beim Planspiel Unterstützungskommandos gegen Chaoten.

In einem Dringlichkeitsantrag forderten die Grünen die Entlassung Gauweilers, und auch die SPD legte Streibl nahe, nur einen Staatssekretären im Innenministerium zu behalten. Max Streibl wurde zum neuen Ministerpräsidenten gewählt.

Gauweilers „Erbe“ übernimmt jetzt der Nürnberger Jurist Günther Beckstein. Der 44jährige Landesvorsitzende des CSU -Arbeitskreises Polizei war bisher Vorsitzender des Sicherheitsausschusses im Landtag. Im vergangenen Jahr kandidierte der Freund Stoibers erfolglos für den OB-Posten in Nürnberg.

Erstmals wurde eine Frau, nämlich Justizministerin Berghofer-Weichner, zur stellvertretenden Ministerpräsidentin gekürt. Da der erst vor wenigen Monaten von Strauß zum Wirtschaftsminister ernannte Kronprinz Tandler auf den Finanzministerposten rotiert, wird der frühere Innenminister August Lang dieses Ressort übernehmen. Diese Nachfolge war umstritten. Lang ist bei den Wirtschaftsbossen nicht besonders angesehen. Der Oberpfälzer mußte auch deshalb seinen Platz im Innenministerium räumen, weil er immer mehr zur Marionette Gauweilers wurde. Lang wehrte sich jedoch und betonte, daß Strauß seine schützende Hand über Gauweiler hielt.

Skandal um Tandler

Mit einem Skandal im Rücken tritt der neue Finanzminister Gerold Tandler sein Amt an. Nach einem Bericht der Illustrierten 'Stern‘ ist der Altöttinger Postwirt in Konkurs- und Steuermanipulationen verwickelt. Aus der Konkursmasse des Erlanger Immobilienkönigs Günther Zembsch soll der Sudetendeutsche Tandler ein Grundstück mit Mietshaus im oberbayerischen Neuötting abgezweigt und auf ihn überschrieben haben. Geschäfte mit seinem Spezi Zembsch habe Tandler bereits in seiner Zeit als bayerischer Innenminister gemacht: Sein Ministerium schusterte dem Freund Zuschüsse in Höhe von 17 Millionen zu, um Studentenwohnheime zu bauen. Inzwischen habe sich der verschuldete Tandler dem Immobilienhai ganz ausgeliefert. Er habe dem Baulöwen eine Generalvollmacht ausgestellt, da der ehemalige CSU-Generalsekretär fällige Hypothekzinsen nicht mehr aufbringen konnte. 1985 dann wurde sogar sein Name im Grundbuch gelöscht und die Firmenname seines Spezis eingetragen. Konkursbetrug vermuteten die Zwangsverwalter. Auch die Steuerfahndung wurde aktiv, da durch Tricks die Abgabe von Grunderwerbssteuer umgangen wurde. „Für einen Neubeginn, der das Wort demokratisch verdient, wäre es jedoch in jedem Fall absolut notwendig, Herrn Tandler nicht als Finanzminister zu berufen und ihn aller politischen Aufgaben zu entbinden, bis sämtliche Vorwürfe hinsichtlich seiner Beteiligung an Steuerhinterziehung, versuchtem Konkursbetrug und seiner Bestechlichkeit geklärt sind“, forderte die grüne Landtagsabgeordnete Christine Scheel. Tandler hingegen leugnet, irgendwelche Geschäftsbeziehungen zu Zembsch zu haben. „Sie werden doch nicht glauben, daß ich durch einen Illustrierten-Artikel die Regierungsbildung beinflussen lasse“, machte sich der neue Ministerpräsident für seinen Finanzminister stark. CSU-Fraktionschef Alois Glück behauptet, der 'Stern‘ habe bereits einen Prozeß gegen Tandler verloren. Tatsache ist jedoch, daß Tandler gegen die Illustrierte eine Unterlassungsverfügung anstrengte. Bei dem Verfahren wurde von Tandler nicht bestritten, daß er Zembsch eine Unterbeteiligung eingeräumt hatte, worauf dieser insgesamt eine Million in die Gesellschaft einlegte. Er will zum zweiten Mal gerichtlich gegen den 'Stern‘ vorgehen.