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Ratlosigkeit

Das Abgeordnetenhaus debattierte über Kreuzberg  ■ K O M M E N T A R

In einem immerhin sind sich Senat und AL einig: „Kreuzberg ist eine Herausforderung und eine Chance.“ Leider verbirgt sich hinter dieser großspurigen Politikformel auf beiden Seiten Ratlosigkeit. Die AL fragt den Senat nach politischen Konsequenzen für den Bezirk, hält ihm dann aber in der Debatte auch bloß die Krämerrechnung vor. Umgekehrt schimpft Senator Fink auf diejenigen, die mehr Geld fordern, belegt aber sein Engagement für Kreuzberg in Mark und Pfennig.

Tatsache ist, daß der 1. Mai 1987 bis heute von niemandem begriffen wurde. Warum brannte Bolle, warum haben so viele Leute zugesehen, warum haben die braven BürgerInnen Geschäfte geplündert. Es gibt keine Antworten. Statt dessen beschwört der Senat das anscheinend Liebenswerte des Stadtteils, befindet die sogenannte Mischung als kreativ, erklärt die Ausländer zum stabilisierenden Faktor und lobt den Ideenreichtum der Gewerbetreibenden. Gesten der Hilflosigkeit, die diesen Stadtteil wieder auf sich selbst zurückwerfen. Was wollt Ihr denn, Ihr seid doch großartig. Und in diesem Nebel von beschönigenden Begriffen verschwindet die Grausamkeit, die auch herrscht in diesem Stadtteil. Kreuzberg ist eben nicht nur die „bunte Mischung“, die der Senat gerne sehen würde. In Kreuzberg herrscht auch ein rohes Nebeneinander, eine sprachlose Separierung in Gruppen und Szenen.

Kreuzberg ist Modell. Aber Modell für soziale Verhältnisse, wie sie aus den Maximen der sogenannten modernen Gesellschaft folgen: Mobilität, Individualisierung und Freizügigkeit. Und darauf muß der sozialpolitische Vordenker der CDU, Ulf Fink, eine Antwort finden.

Brigitte Fehrle

(Siehe Bericht auf der folgenden Seite)

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