: Jammin‘ mit Lou, Art und Freddie
■ Das Jazzfest '88 von Radio Bremen wird vom 24. - 27. 10. im Dix gefeiert
Bei Radio Bremen geht gerade alles drunter und drüber. Und die Jazz und Pop-Redaktion bekommt dabei meistens gehörig einen beigepuhlt. Da werden Sendereihen gekippt, Etats gekürzt und Kompetenzen beschnitten. Die lange und gute Tradition der vom Sender organisierten Jazzkonzerte war scheinbar schon ganz abgewürgt. Aber wenn in der Bürokratie gerangelt wird, kann es auch mal zu überraschenden und positiven Entscheidungen kommen: ganz kurzfristig wurden noch einmal die Mittel für ein Jazzfest bewilligt und die Redakteure haben damit auch schnell ein ganz beachtliches Programm zusammengeschustert.
Während im Frühjahr die „new cats“ des Jazz vorgestellt wurden, präsentieren sich jetzt einige etwas ältere Kater, deren Gekratze und Gejaule jedem Jazzfreund gut bekannt ist. Gary Burton spielt seinen Kammerkonzert-Jazz auf dem Vibraphon am 24. Ohne seinen langjährigen Begleiter Steve Swallow am Bass, stattdessen hat er nach dem Photo zu urteilen, seine neue Gruppe direkt vom Schulhof weg rekrutiert. Der Altsaxophonist Lou Donaldson, dessen Ton und Stil sehr an Charlie Parker erinnert, spielt mit seinem Quartett gleich an zwei Tagen, mit jeweils verschiedenen Gastmusikern. Am 24. mit dem eher vom R&B kommenden Saxophonisten David „Fathead“ Newman. Am 25. schiebt der Trompeter Freddie Hubbard den Be-und Hard-bop des Quartetts wahrscheinlich zu etwas neueren Tönen hin.
Statt des ursprünglich angekündigeten J.J. Johnson Quintets spielt am Dienstag, den 25. Art Blakey mit seinen Jazz Messengers, die zugleich eine der ältesten und jüngsten Formationen des Jazz ist. Der Bebop-trommler leitet die Gruppe schon seit über dreißig Jahren, aber er holte immer die besten unter den jungen Musikern zu sich auf die Bühne. Viele der größten Jazzer von heute haben bei den Messengers angefangen, jetzt ist mit Robin Eubanks an der Posaune ein neuer Sproß der berühmten Musikerfamilie dabei.
Am 26. zuerst John Scofield mit seinem Quartett. Der Gitarist hört sich nach den drei Jahren in der Miles Davis Band flüssiger und zugleich konzentrierter an, als hätte er sich den sehr bösen und übertriebenen Satz von Miles doch zu Herzen genommen, er solle „nicht auf der Bühne üben“. Danach das brasilianische Ehepaar Flora Purim und Aito Moreira mit der einzigen Band, in der nicht die US - Amerikaner vorherrschen. Durch Airto wurde der „Klötterkram“ im Jazz als ernstzunehmende Instrumentierung durchgesetzt: im Jazz -Poll des Downbeats wurde wegen ihm die Kategorie „Perkussion“ eingeführt. Er und die Sängerin Flora Purim brachten einen starken brasilianischen Einfluß in die US -amerikanische Jazzszene, zuerst in Chick Coreas Gruppe „Return to Forever“, dann mit eigenen Formationen.
Am 27. wird der Flötist und Alt-Saxophonist Carlos Ward auftreten, der in den Gruppen von Carla Bley und Dollar Brand spielte, und dessen Stil zwischen Free - Jazz und funkigen Rhythmen pendelt. In seinem Quartett spielt außer Trompeter Jack Walrath eine osteuropäischen Rhythmusgruppemit dem Starbassisten Miroslav Vitous. Zum Abschluß dann ein All-Star-Quartett: die Gruppe „Quest“ mit Saxophonist David Liebman, Pianist Richie Beirach, Ron McClure am Bass und Billy Hart Schlagzeug: „Kühle Intelligenz und aggressives Feuer“ kann man da erwarten, so beschreibt es jedenfalls ein Kollege.
Willy Taub
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