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Vom Nachttisch geräumt: JUNG

Eine Einführung wie ich sie mag. Niemand steht vorne und erklärt einem etwas. Ich lese Briefe, verstehe wenig bis nichts. Hat er nun einen Fischkutter gekidnappt, um zum Weltkongreß der Komintern zu kommen oder nicht? Da sagt mir kein Kommentar, wie es wirklich war. Stattdessen wird die Sache immer verzwickter, unverständlicher. Nach ein paar Jahren Briefwechsel kommt das Thema nicht mehr vor. Dafür aufregend helle Formulierungen wie diese z.B.:

„Die Utopie - hat sich jeder schon besser ausgedacht, aber dafür die Convention zu finden - das ist der Sinn der Revolution.“

Das ist so evident wie nur ein Paradox es zu sein vermag. Daneben die ständig scheiternden Versuche, mit Handelskorrespondenzen sein Geld zu verdienen. Mich hat diese Sammlung von Briefen und Prospekten neugierig gemacht auf den ganzen Franz Jung. Schlimm genug, daß ihn noch nicht kenne. Die Beharrlichkeit, mit der er sich für die Weltökonomie und die Erlösungsprobleme der Albigenser zugleich interessierte, fasziniert mich. Dazu der reichlich nüchterne Bick auf die eigene Existenz, verbunden mit jener Dosis Selbstbetrug, die jeder braucht. Als er alt geworden war und merkte, daß er all die Bücher, die er schon immer mal schreiben wollte, niemals mehr schreiben würde, überredete er sich zu der Auffassung, kein einmal gedachter Gedanke ginge verloren. Ganz gleichgültig, ob man ihn aufzeichne und unter die Leute bringe oder nicht. Ein Trostpflaster.

Franz Jung, Briefe und Prospekte 1913-1963 Dokumente eines Lebenskonzeptes, zusammengestellt und kommentiert von Sieglinde und Fritz Mierau, Edition Nautilus, F.J. Werke Bd.11, 345 Seiten, s/w Abbildungen, 34,-DM

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