: Erdgas in den Sand gesetzt?
■ Zweifel an Kapazität des geplanten Erdgasspeichers unter dem Grunewald 800-Millionen-Projekt bedroht? / SPD: Gaspreise und Energiepolitik in Gefahr
Wird das 800-Millionen-Projekt eines gigantischen Erdgasspeicher unter dem Grunewald in den Sand gesetzt? Von der SPD recherchierte Erfahrungen aus Westdeutschland deuten daraufhin, daß in dem geplanten Erdgasspeicher weit weniger Gas gebunkert werden kann als vom Senat vorgesehen. Der SPD -Abgeordnete Meisner sah mögliche, weitreichende Konsequenzen. Der Gaspreis könnte trotz des billig aus der UdSSR importierten „Russengases“ nicht fallen, sondern müßte weiter steigen, weil zusätzliche Investitionen nötig würden. Damit, so Meisner weiter, wäre auch die Senats -Energiepolitik bedroht, die auf das relativ umweltfreundliche Erdgas setze. „Die gesamte Energiepolitik Berlins muß jetzt neu auf den Prüfstand“, so Meisner. Betriebesenator Wronski (CDU) bestritt gestern dagegen, daß der Berliner Speicher mit den westdeutschen Anlagen vergleichbar sei. Der SPD geht es um das Verhältnis zwischen dem im Erdboden verbleibenden „Kissengas“ und dem rückholbaren „Arbeitsgas“. Es ist bei wasserverdrängenden „Aquifer„-Speichern in Westdeutschland weit schlechter als vom Senat für den Grunewald-Speicher angenommen. Übertragen auf Berlin hieße das: Nur 30 Prozent der 1,085 Milliarden Kubikmeter Gas, die der Senat ab 1993 zwischen unterirdische Gesteinsschichten pumpen will, ließe sich als „Arbeitsgas“ wieder entnehmen. 70 Prozent gingen als „Kissengas“ verloren. Nach den SPD-Rechnungen hätte der Speicher dann nur eine Kapazität von 305 Millionen Kubikmetern statt dem Senatssoll von 750 Millionen.
Wronski-Sprecher Adam erklärte dagegen, aus betriebstechnischen Gründen sei das Verhältnis zwischen Arbeits- und Kissengas in Westdeutschland schlechter. Dort dienten die Speicher ausschließlich dem saisonalen Ausgleich. In Berlin dagegen würden nur „gut 100 Millionen Kubikmeter“ als Saison-Ausgleich gespeichert. 650 Millionen dagegen, eine Jahresverbrauchsmenge, macht die „strategische Reserve“ aus, die von den Alliierten verlangt worden war.
Die SPD stützt sich bei ihren Zweifeln allerdings auch auf die Aussage eines Gutachtens, das der Speicher-Experte Graf im Auftrag von klagenden Anwohnern des geplanten Großprojekts erstellt hatte. Danach könnten geologische Verwerfungen unter dem Grunewald die Speicherkapazität um weitere 15 Prozent verringern. Die SPD will von einem neuen Gasag-Gutachten wissen, das diesen Verdacht bestätigen könnte. Replik des Wronski-Sprechers: Die jüngsten geologischen Untersuchungen der Gasag seien noch nicht „ausgewertet“.
Unter Umständen, so der SPD-Abgeordnete Meisner, müsse der Senat mit den Alliierten neu verhandeln. Der britische Alliierten-Sprecher Purdon sah die Sache gestern als Senats -Problem. Purdon weiter: „Wir müssen überzeugt werden, daß alles okay ist.“
hmt
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