Rechtsradikale rüsten für Europawahl

■ DVU empfing Bundesvorsitzenden Frey unter Polizeischutz / 80 Gegendemonstranten verzögerten Abfahrt / An geheim gehaltenem Ort bei Kaffee und Kuchen norddeutscher Landesverband der DVU gegründet

Auf den ersten Blick hätte es eine ganz biedere Kaffeefahrt ins Grüne sein können. In Wirklichkeit organisierte gestern die rechtsradikale DVU ihren norddeutschen Aufbruch in den Europawahlkampf. Im weiten Umkreis von Bremen waren Mitglieder mobilisiert worden für den

Auftritt ihres Münchener Parteivorsitzenden und Nationalzeitungs-Herausgebers, Dr. Gerhard Frey. Ziel des konspirativ vorbereiteten „Wahlkampfauftakts: Die Gründung eines DVU-Landesverbandes Weser/Ems“.

Pünktlich um 11.30 traten gestern vor dem Blumenladen am

Hauptbahnhof ältere Herrschaften im Sonntagsanzug wartend von einem Bein aufs andere. Mehr als, daß ein Bus sie abholen und in geheim gehaltenes Ausflugslokal bringen werde, wußten sie selbst nicht. Selbst der Busfahrer kannte sein Ziel nicht. Gegenüber dem Überseemuseum stan

den zwei Mannschaftswagen der Polizei bereit. Vor dem Pavillion des Verkehrsvereins hatten sich derweil etwa 80 Antifaschisten versammelt.

Schließlich ist der Bus identifiziert. Bei der ersten handgreiflichen Rangelei unter „Nazis-raus„-Rufen zieht Polizei auf, setzt Schlagstöcke ein, zwei Demonstranten werden vorläufig festgenommen. Höflich werden die Frey -Jünger in den Bus komplimentiert. Zwei weitere Mannschaftswagen treffen ein, Beamte bilden - mit Helmen, Schilden und Schlagstöcken bewaffnet einen dichten Kordon zwischen Demonstranten und einem inzwischen eingetroffenen zweiten DVU-Bus. Demonstranten, die sich vor die Busse setzen, werden weggeschleppt. Von Nazis-Raus-Chören verabschiedet, setzt sich kurz nach 12 Uhr der Bus in Bewegung. Zwei Eier treffen die Windschutzscheibe. B 75, Richtung Oldenburg bis zur Abfahrt Steinkimmen. Dann über die Dörfer in die 1000-Seelen-Gemeinde Huntlosen. Vor „Schmidts-Gasthof“ parken 50, 60 PKWs aus dem ganzen Umkreis: Delmenhorster, Braker, Westersteder, Oldenburger und Bremer Kennzeichen. Rund 300 Leute dürfen nach Vorzeigen ihres DVU-Mitgliedsausweis in den Saal. Inzwischen stecken auch die dezenten Parteiabzeichen „D„s am Anzug-Revers.

Presse muß draußen bleiben. „Geschlossene Gesellschaft“ bedeutet ein bulliger Saalordner, dem mehrere kurzhaarige junge

Männer breitbeinig zur Seite stehen. Während der Münchener Vorsitzende drinnen sich bei Bier, Kaffee und Kuchen in einer von ständigem Beifall unterbrochene Grundsatzrede um eher bieder nationale Töne bemüht („Wir stehen auf dem Boden des Grundgesetzes“ und „Wir haben nichts gegen Türken, solange sie in der Türkei bleiben“), wird draußen vor der Tür harte Stammtischpolitik gegen die „Versklavung des deutschen Volkes durch das internationale Judentum“ gemacht und von Stalingrad und Oberst Rudel geschwärmt: „Ich kenne nur Sauberkeit oder Dreck. Und der Dreck muß weg.“ Oder: „Ich möchte einmal mit einer Hundertschaft in den Bundestag kommen. Ich würde das Politikergesindel erschlagen“, fassen die Umstehenden zusammen, was sie von Dr. Frey gelernt haben. Der Bremer DVU-Abgeordnete Altermann verhandelt mit der Besatzung eines Streifenwagen und fordert Polizei -Schutz, weil möglicherweise mit „hirnamputierten Chaoten, die sich Antifaschisten nennen“ zu rechnen sei. Von Antifaschisten unbehelligt werden schließlich die Vorsitzenden des neu gegründeten DVU-Kreisverbandes gewählt. Eine Kandidaten-Diskussion findet nicht statt, Es genügt, daß der DVU-Vorsitzende für „alle Männer seine Hand ins Feuer legt“. Nächste Adresse im Wahlkampf, verrät Frey abschließend: Werbeschreiben an alle Taxifahrer und an alle Ärzte und Apotheker.

K.S.