: „Selbstjustiz lehnen wir ab“
Bewohnerinnen der Regenbogenfabrik gegen Frauenbedrohung ■ I N T E R V I E W
taz: Wer nimmt an dem Streifendienst teil und warum werdet ihr aktiv?
Wir sind eine gemischte Gruppe von Männern und Frauen aus unserer Hausgemeinschaft. Es geht uns darum, die Straßen für Frauen sicherer zu machen und den Männern zu zeigen, daß es so nicht geht. Nach der ersten Vergewaltigung haben wir Flugblätter im Kiez verteilt und zusammen mit den Notruf -Frauen Warnungen über Radio und Zeitung herausgeben. Zwei Wochen später passiert genau das gleiche wieder, gleicher Typ - die gleiche Personenbeschreibung - wieder mit Pistole. Da kam die Idee, die Straßen hier abzulaufen. Dann kam die Überlegung, die Straßen auch für andere Frauen, die sich bedroht fühlen, sicherer zu machen.
Wie sieht das praktisch aus?
Ein konkreter Fall: Zwei von uns haben beobachtet, wie ein Typ eine Frau verfolgt hat bis zu ihrer Wohnung. Er huschte hinter ihr rein, bevor die Haustür zuging. Da sind die beiden hinterher und haben Krach gemacht. Der Typ war schon auf der Treppe. Er ist total schnell wieder runtergekommen und abgehauen. Wir haben noch versucht, ihn zu verfolgen, nach der nächsten Straßenecke war er aber verschwunden.
Hättet ihr sonst versucht, ihn festzuhalten?
Das kommt immer auf den Einzelfall und die Gruppen an. Wenn ein Typ eine Frau vergewaltigt, dann muß er festgehalten werden, alles andere ist unterlassene Hilfeleistung. Aber Selbstjustiz lehnen wir ab. Es geht uns vor allem darum, eine bessere Täterbeschreibung zu bekommen und ihn eventuell zu verfolgen, um zu sehen, wo er wohnt. Wir wissen selbst, wie riskant es wäre, wenn wir zum Beispiel versuchen würden, den Typen mit der Pistole zu stellen.
Auf dem Frauenpleum war die Zusammenarbeit mit der Polizei aber umstritten.
Es gab verschiedene Meinungen. Einige Frauen waren wegen der Vorfälle beim IWF oder ähnlichem dagegen, mit der Polizei zusammenzuarbeiten. Andere haben unsere Position vertreten, indem sie, wenn was Konkretes ist, auf jeden Fall die Polizei benachrichtigen würden.
Seid ihr der Meinung, daß eigentlich die Polizei für den Schutz der Frauen sorgen müßte?
Das Problem Vergewaltigung ist ein strukturelles Problem unserer Gesellschaft, vor dem uns die Polizei nicht schützen kann. Wir haben keinen Bock darauf, daß die Bullen die Vergewaltigungen als Vehikel benutzen, um hier Tag und Nacht im Kiez zu sein.
Interview: plu
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen