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Contras sollen Wiederaufbau verhindern

Nach dem Hurrikan in Nicaragua erwarten die Sandinisten verstärkte Aktivitäten der Konterrevolutionäre / Funkverkehr abgehört / 3.000 Contras aus Honduras sollen Versorgung der 186.000 Obdachlosen stören / Schadensbilanz vorgelegt / Ortega appelliert an Völker  ■  Aus Managua Ralf Leonhard

3.000 Contras sollen in diesen Tagen aus Honduras über die Grenze geschleust werden, um die Aufbauarbeiten nach dem Hurrikan und die Kaffee-Ernte zu behindern. Das hat die sandinistische Regierung durch Abhören des Funkverkehrs der Konterrevolutionäre erfahren. Erholt, frisch trainiert und gestärkt durch die „humanitäre“ Hilfe, mit der Reagans Buschkämpfer in den letzten Wochen in ihren Lagern in Honduras beglückt wurden, sollen die „Freiheitshelden“ die Versorgung der Obdachlosen und die Instandsetzung der durch den Wirbelsturm zerstörten Infrastruktur verhindern. Daniel Ortega rief die Völkergemeinschaft auf, gegen diese Aggressionspläne Washingtons zu protestieren.

Die sandinistische Regierung hatte das diplomatische Corps und die Vertreter nichtstaatlicher Organisationen und Komitees am Freitag ins Kongreßzentrum „Olof Palme“ geladen, um eine provisorische Schadensbilanz bekanntzugeben. Es seien zwar über 2.000 Tonnen an Lebensmitteln, Medikamenten und Kleidung als Soforthilfe eingetroffen. Vor allem die Kubaner hätten sich durch ihre Solidarität ausgezeichnet und die Bevölkerung von Bluefields über eine Luftbrücke versorgt, als der Sturm noch über dem Westen Nicaraguas tobte. Aber ohne verstärkte und vor allem anhaltende Unterstützung werde Nicaragua die Folgen der Katastrophe nicht verdauen können.

Die Opferbilanz ist inzwischen auf 116 Tote, 178 Schwerverletzte und 110 Vermißte angeschwollen. Mehrere Personen sind noch in den letzten Tagen bei Bergungsarbeiten in den überfluteten Gemeinden bei Rivas, im Süden des Landes, umgekommen. Insgesamt sind bisher 186.950 Obdachlose erfaßt, davon über 90 Prozent in den Regionen Südatlantik und Chontales/Zelaya Central. 66 Brücken wurden beschädigt, 30 davon irreparabel. 651,2 Straßenkilometer sind durch die schweren Regengüsse und Vermurungen unpassierbar geworden. Dies betrifft vor allem die Kaffee-Regionen Matagalpa und Jinotega, wo in diesen Tagen die Ernte beginnen soll.

Die landwirtschaftlichen Schäden können also noch gar nicht erfaßt werden. In der ersten Novemberwoche soll eine Kommission des Wirtschaftsrates für Lateinamerika (CEPAL) der UNO kommen, um bei der Evaluierung der Zerstörungen zu helfen. Sicher ist, daß die Fischereiinfrastruktur der Atlantikküste verlorengegangen ist, praktisch alle Exportprodukte aber auch Reis, Bohnen und Hirse, werden über die kommende Ernteperiode hinaus unter den Folgen des Hurrikans leiden. Die Zerstörung der Waldreserven wird noch für die nächste Generation spürbar bleiben.

Innenpolitisch haben die Notstandsmaßnahmen, vor allem die Zentralisierung der Information während der Sturmtage, eine Polemik ausgelöst, die vor allem über die Medien ausgetragen wird. Während die Regierung aufzeigt, daß die Unternehmerschaft und die politische Rechte für die Katastrophenopfer keinen Finger krumm gemacht haben, rümpft 'La Prensa‘ die Nase über die kubanische Hilfe, die an Qualität bei weitem nicht an das heranreiche, was Uncle Sam spenden könnte, wenn in Nicaragua endlich eine genehme Regierung herrsche.

Statt die Bergungs- und Versorgungsmaßnahmen über die effiziente und erprobte Infrastruktur der sandinistischen Armee laufen zu lassen, hätte die Regierung ein Notstandskomitee unter Einbeziehung aller Parteien und Organisationen einberufen sollen. Daraus könnte dann in der Folge die „Regierung der nationalen Rettung“ werden, die die Rechte seit Monaten propagiert. Dann würden wohl auch die USA helfen. Anderer Meinung ist da Daniel Ortega, der erklärte, „den besten und einzigen humanitären Beitrag, den Reagan an Nicaragua leisten kann, ist das Stoppen seiner Vernichtungspläne“.

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