: Frauen wie andere auch?!
■ Die Filmemacherin Uta Claus über ihre Reportage „Prostituierte berichten“, heute, in der Reihe 'Kontext‘, ZDF, 22.10 Uhr
Interessiert hat mich das Thema, weil mich Menschen interessieren, über die viel geredet wird, ohne daß man viel über sie weiß. An die Prostituierten heranzukommen, war sehr schwierig. Ich habe nächtelang in einem Münchener Bordell herumgesessen und habe die Wohnungen in einem Appartementhaus, in dem nur Prostituierte ihre Dienste anbieten, abgeklingelt.
Die Frauen und Mädchen sind mißtrauisch, weil sie oft von den Medien (und der Öffentlichkeit insgesamt) gelinkt worden sind. Viele haben wahnsinnige Angst, erkannt zu werden (warum, danach frage ich die Frauen im Film), viele sind auch einfach abgestumpft und resigniert, psychisch fertig (auch das kommt im Film vor). Und nur ganz wenige haben noch den Mut und das Engagement, für sich selber selbstbewußt Partei zu ergreifen.
Es hat also einige Zeit gedauert, bis ich auf Vertrauen gestoßen bin und schließlich vier Frauen gefunden habe, die der Öffentlichkeit etwas über sich und ihren Beruf erzählen wollten. Zwei Frauen (21 und 24 Jahre) sind von der „Ingo“, dem Straßenstrich also, zwei (30 und 41 Jahre) aus einem Münchener Appartementhaus, also „privat“. Ich habe sie gefragt, wie sie an den Beruf gekommen sind und wie die Arbeit aussieht. Sie erzählen über ihre Gefühle, über die Freier und was sie so alles wollen, über die Rolle von Zuhältern beim Einstieg und bei der Arbeit selbst.
„Du bist für die Leute das Letzte, der Abschaum ...“, sagt ein Mädchen, und sie ist sich sicher, daß sie aus ihrer Wohnung fliegt, wenn ihr Vermieter erfährt, wovon sie lebt. Andere Vermieter verdienen in einem solchen Fall gerne mit: Vera muß für ihre Dreieinhalbzimmerwohnung 3.500 DM zahlen (wieso muß sie?, d. s-in). Oder: Es gibt ca. 400.000 (registrierte) Prostituierte in der BRD, jede von ihnen hat im Schnitt drei Freier am Tag - es lassen sich also jeden Tag 1,2Millionen Männer ihre sexuellen Wünsche gegen Geld erfüllen.
Als Beruf wird diese Tätigkeit nicht angesehen, Prostituierte können nicht in die öffentliche Sozialversicherung, sie haben kein Recht auf ihren Lohn Freierlohn ist wegen der „Sittenwidrigkeit“ des Geschäfts nicht einklagbar. Die Herren werden schon wissen, warum ihnen dieser Zustand lieb ist; die Herren, die schließlich auch die Gesetze machen.
Uta Claus
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