: Velveta-Käse für den Marlboro-Mann
■ US-Tabakkonzerne verfolgen zwei unterschiedliche Strategien auf dem Nahrungsmittelmarkt / Von Dietmar Bartz
Für 13,1 Milliarden Dollar hat der US-Tabakkonzern Philip Morris („Marlboro“) den Nahrungsmittelhersteller Kraft gekauft. 20,5 Milliarden Dollar werden für RJR Nabisco („Camel“) geboten. Bei den bislang größten Firmenkäufen der Wirtschaftsgeschichte geht es um zwei unterschiedliche Konzepte: Die einen wollen in die Breite, die anderen setzen wieder auf das Geschäft mit dem blauen Dunst. Für den Verbraucher werden sich die Mega-Deals kaum bemerkbar machen.
Der Marlboro-Mann qualmt nicht mehr nur, er ißt jetzt auch Velveta. Für 13,1 Milliarden Dollar hat der US-Konzern Philip Morris („Marlboro“, „Benson&Hedges“) den Nahrungsmittel-Hersteller Kraft („Velveta“, „Philadelphia“, „Miracle Whip“) geschluckt. Mit diesem Expansionskauf, der in der Nacht zum Montag perfekt gemacht wurde, wird Philip Morris deutlich weniger abhängig vom Geschäft mit dem Nikotin. Dessen Anteil sinkt von 77 auf 65 Prozent.
Ganz anders ist die Situation bei RJR Nabisco („Camel“, „Winston“), der ebenfalls eine Reihe von Lebensmittel-Firmen besitzt. Für 17,6 Milliarden Dollar wollte zunächst das eigene Mangement den Giganten aufkaufen, von der Investment -Firma Shearson Lehmann Hutton unterstützt. Schon in diesem Stadium war es das größte geplante Leveraged Buyout (LBO) der US-Wirtschaftsgeschichte, bei der die Übernahme zum größten Teil durch Kredite finanziert wird, die mit dem Verkauf profitabler Firmenteile bezahlt werden. Dann meldete sich Shearsons Konkurrenz, die Wallstreet-Firma Kohlberg Kravis Roberts (KKR) und begann, mitzubieten.
Kurze Verhandlungen darüber, gemeinsam vorzugehen und sich den Einfluß auf den zweitgrößten Nahrungs- und Genußmittel -Konzern der USA gemeinsam zu sichern, scheiterten. KKR setzte die Offensive fort: Insgesamt 20,5 Milliarden Dollar schwer ist die Offerte an die bisherigen Aktionäre von Nabisco. Ein „Leveraged Buyout“ soll sie dennoch bleiben. Zur Finanzierung wird ein Teil des Konzerns an der Börse landen; Nabisco wird sich auf das Tabak-Geschäft konzentrieren.
Dafür stehen die Chancen gar nicht so schlecht. Die Zahl der Schadenersatzklagen, die die Branche über Jahre beunruhigte, ist erheblich zurückgegangen. Zwar hatte im Juni ein Gericht die Ligett-Gruppe zu Schadenersatz verpflichtet, aber die Anwaltskosten der Kläger waren höher als die Summe, die ihnen schließlich zuerkannt wurden. Und nach wie vor sind die Gewinnspannen beim Tabak größer als bei Nahrungsmitteln: Zwar setzte Nabisco 1987 mit Lebensmitteln zehn und mit Tabak nur sechs Milliarden Dollar um, doch am Food verdiente der Konzern nur 700 Millionen Dollar, während der Tabak 1,8 Milliarden abwarf.
fresh food
Philip Morris, der mit dem Kauf von Kraft zum weltgrößten Nahrungsmittelhersteller wurde und den britisch -niederländischen Unilever-Konzern auf den zweiten Rang drückte, bewegt sich in eine ganz andere Richtung. Die Kraft -Produktpalette paßt recht genau neben die Marken, die die Morris-Tochter „General Food“ (GF, mit den Kaffee-Marken „Maxwell“ und „HAG“ oder der Biersorte „Miller“) verkauft.
Während GF aber vor allem haltbare Produkte verkauft, verfügt Kraft über die meisten Kühltruhen in Supermärkten und dort sind frische Waren gefragt wie nie. Wuchs der Umsatz der gesamten Branche im letzten Jahr um zwei Prozent, waren es bei den Frischwaren bis zu zwölf Prozent. Und so gab sich das Kraft-Management schon bisher redlich Mühe, den gesundheitssüchtigen US-AmerikanerInnen etwa den Philadelphia-Streichkäse als Butterersatz anzupreisen.
Erheblich werden Kraft und GF - beide setzen etwa zehn Milliarden Dollar pro Jahr um - durch die Zusammenlegung des Verteilnetzes, durch gemeinsamen Einkauf der teuren Werbezeiten im Fernsehen und durch die einheitliche internationale Vermarktung gewinnen. Während Kraft vor allem in Italien, der BRD und Australien stark ist, hält GF größere Marktanteile in Frankreich, Großbritannien, Japan und Korea. Auf den europäischen Binnenmarkt, urteilt die Branche, hat sich Philip Morris damit hervorragend vorbereitet.
Und noch gegenüber einer zweiten Tendenz: Während sich weltweit die Nahrungsmittel-Märkte vereinheitlichen, sinkt ebenso allgemein die Marken-Loyalität. KäuferInnen springen immer häufiger von Marke zu Marke, haben die Absatzstrategen herausgefunden. Zugleich sind die Werbekosten für die Einführung neuer Produkte rapide in die Höhe gegangen. Für die Konzerne heißt das, sich mit den übernommenen Firmen möglichst viele Markenartikel zuzulegen - und da hat Kraft opulente 360 Titel zu bieten.
Mit denen kann auch die eher behäbige General Foods wieder aufgepäppelt werden, wenn auch Kraft als Unternehmen weiter selbständig bleiben soll. Die Gewinnspanne von Philip Morris wird sich erhöhen. Bislang machte das Unternehmen 6,3 Prozent Gewinn, während der Neuzugang 9,6 Prozent mitbringt. Im erweiterten Konzern wird die Spanne damit auf 8 Prozent steigen. Findige Analysten haben bereits ausgerechnet, daß die Kredite über insgesamt zwölf Milliarden Dollar, die Philip Morris aufgenommen hat, rechnerisch innerhalb von nur fünf Jahren abgezahlt sein können.
Ob die Zusammenlegung der Distributions-Netze zu Massenentlassungen führt oder einzelne Fabriken stillgelegt werden, ist derzeit noch nicht bekannt. Sehr wenig wird sich hingegen für die KäuferInnen der bisherigen Kraft-Waren ändern - in bundesdeutschen und auch US-amerikanischen Supermärkten werden sie auch weiter ihre Markennamen tragen. Die Belegschaft der Instant-Kaffeefirma HAG in Bremen etwa hat es kaum zu spüren bekommen, als sie 1980 über General Foods bei Philip Morris landete.
Wenig spürbar sind zunächst auch die Marktanteile, die Philip Morris jetzt mit dem Kraft-Akt erhält. Die Philip Morris GmbH in München setzte im letzten Jahr 5,5 Milliarden Mark um und kontrolliert 25,4 Prozent des bundesdeutschen Zigarettenmarktes. 800 Millionen Mark steuert HAG bei, und hinzu kommen jetzt 1,1 Milliarden Mark der Kraft GmbH in Eschborn.
Die Kartellwächter haben indes darauf verwiesen, daß Marktbeherrschung nicht vorliege: Kraft-, und GF- und Morris -Produkte liegen in verschiedenen Segmenten. Diesmal haben die Morris-Manager in der BRD weniger zu befürchten als noch 1985. Damals hatte Philip Morris den britischen Zigarettenhersteller Rothmans aufgekauft. Die Kartellwächter hatten den Konzern dazu gezwungen, von der bundesdeutschen rothmans-Tochter nur 24,9 Prozent zu übernehmen.
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