Modell Deutschland-betr.: "Asyl Zimmermann und Späth einig", taz vom 31.10.88

betr.: „Asyl: Zimmermann und Späth einig“, taz vom 31.10.88

Die „Asylantenflut“ hat tatsächlich eine verheerende Wirkung, aber anders, als von rechten „Ordnungspolitikern“ behauptet: die Auseinandersetzung um das Recht auf politisches Asyl wurde zur Härtesten für die demokratische und rechtsstaatliche Substanz dieser unserer Republik, und die doch so sehr ums internationale Renommee bemühten Musterknaben unter den europäischen Nationen sind dabei, sich bis auf die Knochen zu blamieren. Gut so! So kann mensch, falls bisher auf den schönen Schein hereingefallen, endlich zweifelsfrei erkennen, wie weit es mit diesem „Modell Deutschland“ in puncto Vermächtnis der Opfer des Naziterrors bestellt ist!

Was die „Väter des Grundgesetzes“ bewegte, das Grundrecht auf Asyl für politisch Verfolgte zu schaffen, ist heute offenbar lästig, selbst wenn dieses Land so fettgefressen ist, daß die Nähte krachen. Der weinerliche Blick über die Grenzen verfängt nicht: die anderen haben dieses Grundrecht nicht in ihrer Verfassung, weil sie nicht mit der Erblast leben müssen, durch ein bestialisches Regime und Gesellschaftssystem einen Massenexodus verursacht und einen beispiellosen Völkermord begangen zu haben. Den Nachbarn sei geraten, sich vor diesen Simpeln mit der Fleischerhundmentalität und der „Gnade der späten Geburt“ in acht zu nehmen. „Der Schoß ist fruchtbar noch“.

Henning Bähr, Oldenburg