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Schulbuch-Unsinn-betr.: "Blutiges Denken" und "Leonhardt", taz vom 25.10.88

betr.: „Blutiges Denken“ und „Leonhardt“, taz vom 25.10.88

(...) „1939 fielen Nazis und Sowjettruppen über Polen her“. Eine alte bürgerliche Geschichtslüge wird zum 1.023mal serviert. In Wahrheit sind die Sowjettruppen 1939 größtenteils nicht in polnisches, sondern in mehrheitlich ukrainisches beziehungsweise weißrussisches Gebiet einmarschiert, ein Gebiet, welches sich Pilsudski-Polen, entgegen der vom britischen Außenminister Curzon vorgeschlagenen und nach ihm benannten Grenzlinie, 1920 unter den Nagel gerissen hatte. Aber solche kleinen Faktenverdrehungen sind für Widmann offenbar legitim, gibt es doch für ihn „keinen Grund, dem Regime in der Sowjetunion, der langlebigsten Diktatur dieses Jahrhunderts, mit Freundlichkeit gegenüberzutreten“.

Natürlich, wo's nur eine Partei gibt, herrscht eben „Diktatur“ - welchen Schulbuch-Unsinn, welch platt -reaktionären „Diktatur„-Begriff mutet die taz hier ihren Lesern zu! Als ob zwischen den 20 Jahren Stalin-Herrschaft und dem Sowjetsystem vor und nach Stalin nicht Welten lägen; als ob es nicht zunehmend Mehrparteiendiktaturen a la El Salvador gäbe, die den klassischen Diktaturen beim blutigen Handwerk in nichts nachstehen.

Und es ist schon reichlich abgefeimt, gegenüber der Sowjetunion expressis verbis eine unfreundliche Politik zu verlangen, und sich damit zu einer Tradition von „Unfreundlichkeiten“ zu bekennen, die vom Unternehmen Barbarossa bis zum NATO-Hochrüstungsbeschluß reicht (welcher ohne Gorbatschows Apeasement-Politik im übrigen vermutlich nicht so glimpflich abgegangen wäre).

Franz-Josef Gärtner, Pfinztal

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