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Der Hinterhof im Schatten der US-Wahlen

Was Zentralamerika von der Alternative Bush oder Dukakis zu erwarten hat / Die Contras bangen: Bekommen sie wieder Geld und Waffen? / El Salvadors Rechtsextreme fürchten Dukakis-Sieg / Guatemala und Honduras kein Thema im US-Wahlkampf  ■  Aus Managua Ralf Leonhard

Wenn in den USA ein VIP, very important person Geld benötigt, stellt er einen Fundraiser an. Der veranstaltet dann ein dinner und verköstigt seine Gäste zu horrenden Preisen, zu Solidaritätspreisen quasi. So kam es denn auch, daß sich Anfang Oktober in Miami, Florida, als 120 wohlhabende Exilnicaraguaner im Nobelrestaurant „Los Ranchos“ zu einem Fundraising-Mittagessen mit Jeb Bush, dem Sohn des Vizepräsidenten, trafen. Wie sein Papa ist auch Jeb ein überzeugter Contra-Freund. „Dukakis ist ein Verbündeter der Sandinisten. Deswegen muß Bush ihn schlagen“, verkündete Roberto Argüello von der nicaraguanischen Bankervereinigung in Miami bei seinem Toast für den Ehrengast. „Reagan geht, aber jetzt kommt Bush“, antwortete der Millionärssproß in Abwandlung der sandinistischen Durchhalteparole „Reagan geht, aber die Revolution bleibt“.

Niemandes Schicksal ist so eng mit dem Wahlausgang verknüpft, wie das der nicaraguanischen Contras. Michael Dukakis ist gegen jede Form von Contra-Hilfe und für direkte Verhandlungen mit den Sandinisten über Sicherheitsfragen genau das, was die Regierung in Managua seit Jahren fordert. „Die Sicherheit Amerikas wird gefördert und nicht bedroht, wenn die Zentralamerikaner ihre Führer selbst aussuchen dürfen“, so steckt der Gouverneur von Massachusetts seine Position zu Zentralamerika ab. Die Contras müßten entweder nach Nicaragua zurück und sich dort den Wählern stellen oder sich, wie Zehntausende ihrer Landsleute, in den USA als Tellerwäscher und Liftboys durchschlagen.

Die sandinistische Regierung hofft schon deswegen auf einen Sieg des Griechen aus Neuengland, weil George Bush für sie ein rotes Tuch ist. Nicht nur, weil er für Kontinuität der Reaganschen Stahlhelmpolitik steht, sondern auch wegen seiner Schlüsselrolle im Iran-Contra-Skandal. Für die Operationen der Contras von El Salvador aus hatte er seinerzeit einen kaltblütigen Killer engagiert: den Exilkubaner Luis Posada Carriles, der 1976 im Auftrag der CIA eine Linienmaschine der kubanischen Luftfahrtgesellschaft mit 73 Insassen in die Luft gesprengt hatte. In jenem Jahr war Bush CIA-Chef. Aber einlullen lassen sich die Sandinisten von den sanften Worten der Demokraten nicht. „Wer immer gewinnt, wird weiterhin versuchen, die Revolution zu eliminieren“, heißt es in einem internen Papier, das als Diskussionsvorlage mit der Parteibasis dient, „der Unterschied liegt in der Taktik oder Form. Das heißt, entweder geht der Krieg weiter oder der politisch-ideologische Kampf mit Wirtschaftssanktionen wird verstärkt.“ Entscheidend sei vielmehr, ob es Reagan noch gelingt, dem Kongreß Militärhilfe für seine Schützlinge abzuringen, „das würde die Aussichten auf ein Ende des Krieges blockieren, da sich damit sowohl Republikaner als auch Demokraten auf die militärische Option einschwören“. Kein Fundraising in

Guatelemala oder

Honduras

Hatten die rechtsextremen Großgrundbesitzer in Guatemala vor acht Jahren eifrig für Reagans Kampagne gespendet, so verfolgen diese Kreise das Duell Bush/ Dukakis aus etwas mehr Distanz. Die faschistische MLN befürchtet zwar nach einem Sieg von Dukakis den Triumph des Kommunismus in Zentralamerika. Doch gleichzeitig wissen diese Kreise: auch ein Republikaner wird die gefällige christdemokratische Regierung nicht gegen ein international isoliertes Faschistenregime eintauschen. Guatemala ist im US-Wahlkampf kein Thema, genausowenig wie der Wahlkampf ein innenpolitisches Thema in Guatemala ist. Präsident Cerezo würde wohl von einem Demokraten weniger unter Druck gesetzt werden, seine neutrale Haltung gegenüber Nicaraguaaaufzugeben, aber in keinem Fall wird er den Militärs die eigentliche Macht im Staat streitig machen können. El Salvador: weiter mit

der Christdemokratie

Ähnlich verhält es sich auch in Honduras, wo eine Veränderung des status quo nicht zur Debatte steht. Das Land wird seine Funktion als Flugzeugträger der USA weiterspielen. Honduras ist nur insofern betroffen, als ein Sieg von Dukakis bei den 10.000 im Südosten lagernden Contras Panik auslösen würde. Präsident Azcona hat schon mehrmals in Washington vorgefühlt, was mit den ungebetenen Gästen passieren soll, wenn der Geldhahn endgültig abgedreht wird.

„Dukakis wird für El Salvador keine wichtigen Veränderungen bringen“, meint Ruben Zamora von der Demokratisch -Revolutionären Front (FDR), der mit der FMLN-Guerilla verbündeten politischen Allianz, „vielleicht setzt er einer Verhandlungslösung weniger Widerstand entgegen.“ Auch El Salvador wird in der US- Wahlkampagne ausgespart. „In den USA glaubt man noch immer, daß in Zentralamerika Nicaragua das Problem ist“, erklärt Zamora, „aber zumindest erkennen die Politiker das Scheitern Reagans in Nicaragua.“ Jim Wright, der demokratische Sprecher des Repräsentantenhauses, ist ein Verehrer des todkranken Präsidenten Duarte, und alles spricht dafür, daß auch Dukakis den christdemokratischen Kandidaten Chavez Mena bei den kommenden Wahlen gegen die rechtsextreme ARENA unterstützt. Für die Ultrarechte ist die Vorstellung von einem Demokraten im Weißen Haus ein Alptraum. „Wenn die Carter-Politik El Salvador auf den Weg eines ausweglosen Krieges, wirtschaftlichen Desasters, sozialen Verfalls und unverfrorener Korruption gebracht hat, so ist Dukakis der Mann, das Werk zu vollenden“, heißt es in einem Kommentar der rechten Publikation 'News Gazette‘. Und Costa Rica? Oscar Arias, der letztes Jahr den Friedensnobelpreis für seine Zentralamerikainitiative bekommen hat und seither von Reagan ständig unter Druck gesetzt wird, erwartet von den Demokraten mehr Engagement für den Friedensplan: „Sie haben sich bisher in sehr viel konkreterer Form damit auseinandergesetzt und stehen unseren Bemühungen aufgeschlossener gegenüber als die Republikaner. Dennoch glaube ich, daß auch Bush den Friedensplan mehr unterstützen wird, als die Reagan-Administration.“

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