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Rekrutierung für die RAF?

■ Diskussion über Haftbedingungen politischer Gefangener soll Unterstützung für die RAF sein

In München beginnt heute ein auf 13 Tage terminierter Prozeß wegen „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“. Angeklagt sind zwei Personen, die eine Diskussionsveranstaltung zu den Haftbedingungen in der BRD durchführen wollten. Die Bundesanwaltschaft sieht darin einen Rekrutierungsversuch für die RAF. Tatsächlich stellt sich jedoch die Frage, ob die Bundesanwaltschaft mit solchen Prozessen nicht genau das erreicht, was sie zu verhindern vorgibt.

Mit Bedacht hatte die Polizei gerade so lange abgewartet, bis der Saal voll war. Kaum hatten die rund 120 Menschen an diesem 4.November 1986 ihre Plätze im Veranstaltungsraum des Münchner Zunfthauses eingenommen, da stürmten 200 Polizeibeamte den Raum. Unterstützt von Katastrophenschutz und Technischem Hilfswerk ging die Staatsgewalt ans Werk, als gelte es, eine konspirative Vollversammlung der „Kommandoebene der RAF“ auszuheben.

Niemand durfte sich vom Platz bewegen, sogleich wurden alle Anwesenden genauestens abgefilmt. Erst nach der polizeilichen Abriegelung des Saales verstand der Einsatzleiter sich dazu, den überraschten Versammelten zu erklären, daß die Veranstaltung am Tag zuvor seitens des Münchner Kreisverwaltungsreferats verboten worden sei. Eskortiert von jeweils zwei Beamten, wurden die VeranstaltungsbesucherInnen einzeln in den taghell beleuchteten Hof geführt und dort nach Aufnahme der Personalien durchsucht und fotografiert. Doch damit nicht genug. Andere Hundertschaften Polizei riegelten zugleich die umliegenden Straßen ab und nahmen die Personalien von weiteren 200 Personen zu Protokoll. Beamte des Landeskriminalamtes durchsuchten unterdessen die Wohnung der Frau, die den Saal für die Veranstaltung angemietet hatte. Ausbeute des Großeinsatzes: Acht vorrübergehende Festnahmen und in den darauffolgenden Wochen mehrere Vorladungen zur Vernehmung beim Landeskriminalamt.

Gegen die bis dato unbescholtene, damals 21jährige Anmieterin des Saales, Janin S., hatte Genaralbundesanwalt Rebmann bereits am Vortag der Veranstaltung prophylaktisch ein Ermittlingsverfahren nach Paragraph 129a wegen „Unterstützung der RAF“ eingeleitet. Knapp vier Wochen später schob die Rebmann-Behörde vier weitere Ermittlungsverfahren auf Grundlage des Paragraphen 129a wegen des „Verdachts auf Mitorganisierung und Vorbereitung der Veranstaltung“ nach und ließ im gleichen Zuge fünf Wohnungen und einen Münchner Kopierladen durchsuchen. Drei dieser Verfahren mußten später wieder eingestellt werden. Bis zur Anklage vorangetrieben wurden dagegen die Verfahren gegen die heute 23jährige Janin S. und gegen den 27jährigen Wolfgang K. Gegen Wolfgang K. wird angeführt, er habe „an der Ausstattung des Veranstaltungslokals mitgewirkt, indem er über dem Informationsstand an der Wand des Saales ein circa 2 m breites und 1,5 m hohes Stofftransparent befestigte, auf dem die Parole „Freilassung von Günter Sonnenberg - Zusammenlegung der Gefangenen aus RAF und dem Widerstand“ gestanden hat. Das sind die konkreten Tatbestände, auf die die Bundesanwaltschaft nunmehr den massiven Vorwurf der Unterstützung der „verbrecherischen Ziele der RAF“ stützt. So heißt es in der Anklageschrift zu dem heute beginnenden Prozeß: „Die Angeschuldigten werden daher beschuldigt, gemeinschaftlich eine Vereinigung unterstützt zu haben, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Mord, Totschlag und Völkermord, Straftaten gegen die persönliche Freiheit oder gemeingefährliche Straftaten zu begehen.“

Wie die BAW es schafft, aus dem Vorhaben, eine öffentliche Diskussionsveranstaltung durchzuführen, einen kriminellen Akt zur „Unterstützung verbrecherischer Ziele“ zu machen, liest sich in der Anklageschrift so: „Auch die inhaftierten Mitglieder der RAF (...) verfolgen weiterhin die Ziele dieser terroristischen Vereinigung.“ Über die Forderung nach Zusammenlegung, so die Argumentation der BAW, versuchten die Gefangenen „die Stärkung des 'revolutionären Kampfes'(...), also die Fortsetzung des terroristischen Kampfes mit anderen Mitteln zu erreichen“. Bei der Vorbereitung und Werbung für die Veranstaltung in München, so fährt die Anklageschrift fort, sei es darum gegangen, „diese verbrecherischen Ziel der RAF, nämlich die gewaltsame Veränderung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Bundesrepublik durch Begehung schwerster Straftaten“ sowie die Zusammenlegung der Gefangenen „zu unterstützen“.

Die angeklagte Janin S.bewertet den massiven Vorwurf der Bundesanwaltschaft als Einschüchterungsversuch: „Wir denken, daß der Prozeß gegen uns Pilotfunktion hat, um mit diesem Urteil festzuklopfen, daß eine Veranstaltung zu politischen Gefangenen 'integraler Bestandteil der Gesamt-RAF Strategie‘ ist. Damit wollen sie die Leute abschrecken.“ Und in der Tat unterstellt die Bundesanwaltschaft in ihrer Anklageschrift, daß auf der Veranstaltung keine Diskussion, sondern ein RAF -Rekrutierungsseminar stattfinden sollte: „Die auf Vorbereitung und Durchführung der Veranstaltung gerichtete Tätigkeit der Angeschuldigten war für die Bestrebungen der terroristischen Vereinigung 'Rote Armee Fraktion‘ von Vorteil. Sie war geeignet, die Verwirklichung der Zielsetzungen der 'RAF‘ zu fördern und Veranstaltungsteilnehmer in ihrem Zusammengehörigkeitsgefühl und ihrem Willen, sich weiterhin für die gemeinsamen Ziele einzusetzen, zu bestärken.“

Die so von der BAW präsentierte Logik: Wer die Isolationshaftbedingungen der politischen Gefangenen in den bundesdeutschen Hochsicherheitstrakten öffentlich zu diskutieren trachtet, macht sich der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung nach 129 a schuldig. Und vorsorglich schreibt die BAW auch gleich mit in die Anklageschrift, daß es den Veranstaltern „nicht um ein humanitäres Anliegen ging.“ Dürftig unterfüttert wird diese Unterstellung mit dem Vermerk, man habe in der Wohnung der Beschuldigten Janin S. „zahlreiches Material über die Aktivitäten der RAF“ gefunden. So fügt sich ein hauseigenes Archiv mit einer Saalanmietung nahtlos zu einem schweren Schuldvorwurf zusammen. Nur eins wollte offenbar nicht so ganz passen: der Vorsitzende Richter des 3.Strafsenats. Hatte er doch zuvor bereits ein dringendes Anliegen der BAW abgelehnt, nämlich einen Parolensprayer wegen Unterstützung der RAF zu verurteilen. Doch auch dieser Vertreter des Rechtsstaats steht nicht mehr im Wege. Zehn Tage vor Prozeßbeginn fiel der alte Vorsitzende wegen Krankheit aus. Er wurde durch einen neuen, den Anwälten bislang völlig unbekannten Richter ersetzt.

Maria Kniesburges

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