piwik no script img

Video ersetzt Tierversuche

■ Studentische Initiative gegen Tierversuche gab Professoren Nachhilfeunterricht in Alternativmethoden / Interaktives Videolernprogramm aus Groningen als Alternative in Mediziner- und Biologen-Praktika vorgestellt

„Das, was Sie hier schildern, ist der Diskussionsstand, den wir vor rund zehn Jahren in Groningen hatten“, erwidert Ab Aling Prins mit einem Lächeln in den Mundwinkeln. Ein Zuhörer, vermutlich Mitarbeiter des Physiologischen Instituts der FU, hatte soeben erklärt, daß auch Berliner Physiologen Tierversuche so weit als möglich vermeiden wollten, zugleich aber den Grundsatz vertreten würden, daß Physiologie-Praktika nicht ohne die Tötung von Tieren möglich seien. Diese Argumentation zu entkräften, galt die Veranstaltung der studentischen Anti-Tierversuchsgruppe „Pro Animal“ in der Rostlaube, zu der sich am Dienstag etwa 150 Studenten einfanden. Thema: Vorstellung einer Alternative zu den Tierversuchen in den Grundpraktika bei Human- und Veterinärmedizinern sowie den Biologen.

Auf Einladung von „Pro Animal“ stellten die beiden niederländischen Physiologen und Biologie-Dozenten Ab Aling Prins und Niek Meier ihr an der Universität Groningen entwickeltes „interaktives Videoprogramm“ als Alternative zu den herkömmlichen Rattenherz- und Muskelkontraktionsversuchen der Physiologie-Praktika vor.

Das neue Lernprogramm kombiniert Videobilder von herkömmlichen Versuchen mit einem Frage- und Antwortprogramm in einer Computerkonfiguration. Der Benutzer muß am Computer alle Fragen richtig beantworten, um das Ende des Programms zu erreichen. Dauer: zweieinviertel Stunden. In Groningen ist die Alternative zur massenweisen Tierschlachtung und Tierpräparierung laut Aussagen der beiden Experten ein voller Erfolg. Doktor Prins sagte, ein Student habe ihm erklärt: „Ich habe das Gefühl, den Versuch selbst durchgeführt zu haben.“ Muskel- und Rattenherzversuche gibt es in Groningen nun nicht mehr.

Nach Meinung von Henning Jonat, „Pro Animal„-Aktivist und Human-Medizinstudent im fünften Semester, eröffnet das alternative Lernprogramm eine neue Hoffnung im Kampf gegen Tierversuche des Physiologie-Praktikums. Der Vorteil des Programms gegenüber den herkömmlichen Versuchen sei, daß „man nur zum Ende kommen kann, wenn man alles verstanden hat“.

In den letzten Semestern hatten vor allem Human- und Veterinärmedizin-Studenten durch Klagen, Einstweilige Verfügungen und Boykotte versucht, sich wegen ethischer Bedenken von der Teilnahme an Tierversuchen befreien zu lassen - leider mit geringem Erfolg. In Diskussionen beteuerten die verantwortlichen Professoren stets, ein Rattenherz sei in seiner Anschauung nicht zu ersetzen. Ihr Motto: „We don't like computers.“ Für diese Computerfeindlichkeit müssen jährlich etwa 800 Ratten, Meerschweinchen und Frösche ihr Leben lassen. „Dabei besteht der Tierversuch im wesentlichen darin, daß die Studenten eine Lösung auf präparierte Organteile tröpfeln und Meßergebnisse ablesen“, beklagt eine Medizinstudentin. Den Abschluß der Veranstaltung bildete das Referat einer niederländischen Biologie-Doktorandin mit ihrer Frage: Können Tiere leiden? Nach ihrem Erkenntnisstand gebe es ein Leiden von Tieren und zwar als Ausdruck im Verhalten.

Die Berliner Physiologen-Front scheint das vorgestellte Lernprogramm als Alternative zum Tierversuch wenig zu interessieren. Lediglich die Tiermedizin-Professoren Clauss und Krzywanek besuchten die Veranstaltung - ohne jedoch von dem Programm überzeugt worden zu sein. Prof.Krzywanek: „Keine Alternative zum Tierversuch. Es ist eine schöne Unterstützung.“

Thomas Werres

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen